BIOGRAFIE BINEM GRÜNSTEIN (und Moszek Grünstein)
Binem Grünstein wurde am 26. Februar 1921 in Warschau in einer jüdischen Familie geboren und wuchs in der polnischen Hauptstadt auf. Er hatte einen Bruder, Moszek Grünstein, geb. am 27. Februar 1924, der ein ähnliches Schicksal erlitt wie er selbst. Die Brüder hatten eine große jüdische Verwandtschaft, von der kaum jemand den Holocaust überlebt hat.
Der Vater betrieb einen Kurzwarenladen. Binem besuchte drei Jahre lang die jüdische Grundschule. Danach besuchte Binem eine öffentliche, polnische Schule, in der Juden eine äußerste Minderheit waren.. Als Jugendlicher trat er mit zwölf Jahren der 1923 gegründeten zionistischen Jugendorganisation BETAR bei; allerdings blieb er nur wenige Jahre deren Mitglied. Mit 14 Jahren beendete er die Schule. Er versuchte sich zunächst im Kürschner-Handwerk, entschied sich aber bald – seiner künstlerischen Neigung wegen – für eine Ausbildung als Metallgraveur.
Nach dem Überfall der Deutschen auf Polen am 1. September 1939 konnte die Hauptstadt Warschau als einzige Stadt vier Wochen lang, bis zur Kapitulation am 27. September, von polnischen Truppen verteidigt werden. William Grünstein erlebte die Angriffe vor allem durch Sturzkampfbomber hautnah, wenn auch das Haus, in dem die Familie wohnte, nicht zerstört wurde. Nach der Besetzung Polens durch die Deutschen begann das Martyrium für die Juden.
So wurde Binem beim Straßenbau und bei Metallarbeiten bei einem Schmied zur Zwangsarbeit herangezogen. Er hatte bis zum Herbst 1942 verschiedene Arbeitsstellen außerhalb des Ghettos. Auch sein Bruder Mark konnte das Ghetto verlassen und bei Verwandten auf einem Bauernhof unterkommen. Im Herbst 1942 kam der Befehl, dass alle Juden in das bereits 1940 errichtete Arbeitslager Belzec im Bezirk Lublin verlegt wurden. Als bekannt wurde, dass der Ort Belzec von den Deutschen für „judenrein“ erklärt wurde, flohen die beiden Brüder und begaben sich nach Krasnik, einer Landgemeinde in der Woiwodschaft Lublin. Wenige Wochen später wurden etwa 100 Juden dieses Ortes, u.a. auch Moszek Grünstein, in das KZ-Außenlager Budzyn, etwa fünf km nordwestlich von Krasnik, einem Außenlager des KZ Majdanek (Lublin) gebracht. Nach sechs Wochen wurde auch Binem Grünstein in das Lager Budzyn verbracht.
Nach dem Aufenthalt in Budzyn kam Binem Grünstein - zusammen mit seinem Bruder - in das KZ-Außenlager Mielec. Dort bekam Binem Grünstein in den Unterarm „KL“, gleich „Konzentrationslager“, eintätowiert. Im Lager Mielec war Grünstein nur etwa zwei Monate lang. Wegen des Vormarsches der Sowjettruppen kam er für zehn Tage in das KZ-Außenlager Wieliczka. Von dort ging es in das KZ-Lager Flossenbürg, wo er am 4. August 1944 angekommen sein muss, aber wohl nur zehn Tage blieb. Die Gruppe, in der Grünstein sich befand, waren angelernte Arbeiter im Flugzeugbau. Darum war die nächste Station das KZ-Außenlager Leitmeritz in der Tschechoslowakei (Sudetenland), einem Außenlager des Stammlagers KZ Flossenbürg. Dort waren unterirdische Bauten für die Verlagerung von Rüstungsunternehmen im Entstehen. Er arbeitete hier in einer Werkstatt und hatte Presslufthämmer zu warten, die beim Tunnelbau eingesetzt wurden. In diesem Lager wurden seine künstlerischen Fähigkeiten entdeckt. Er musste nicht mehr in der Werkstatt arbeiten, sondern durfte in seinem Zimmer Fotos abzeichnen. Binem kam am 23. Oktober 1944 vom KZ Flossenbürg bzw. einem KZ-Außenlager von Flossenbürg nach Dachau bzw. in das Dachauer Außenlager Augsburg-Pfersee, in dem sich KZ-Häftlinge für den Arbeitseinsatz bei der Firma Messerschmitt befanden. Er bekam die Dachauer Nummer 118498.
Auch der Bruder Moszek Grünstein muss denselben Weg gegangen sein. In Flossenbürg kam er am 4. August 1944 an. Am 23. Oktober 1944 dann Übergabe an das KZ Dachau bzw. das Außenlager Augsburg-Pfersee. Er bekam die Dachauer Häftlingsnummer 118499
Moszek und Binem Grünstein
Am 3. Dezember 1944 schließlich kam er mit einem Transport von 241 Juden von Augsburg-Pfersee nach Leonberg. Binem Grünstein erhielt die Natzweiler Häftlingsnummer 39339.
Anfang April 1945 wurde das KZ-Außenlager Leonberg geräumt und die Häftlinge nach Bayern, zunächst in das KZ-Außenlager Kaufering verbracht. Von dort erfolgten verschiedene Todesmärsche und Todesfahrten. Binem Grünstein wurde dem Transport nach Landau über Dachau und Landshut zugeteilt. Die Häftlinge hatten in Ganacker bei Landau den dortigen bombenzerstörten Militärflugplatz wieder startklar herzurichten.
Die etwa 1000 Häftlinge des KZ Ganacker, einem Außenlager des KZ Flossenbürg, waren nun sich selbst überlassen und marschierten los, bis sie von US-Truppen befreit wurden. Für Binem Grünstein war dies im Ort Herbertsfelden in Niederbayern, im heutigen Landkreis Freyung-Grafenau, der Fall.
Bis zum Mai 1949 befand sich Binem Grünstein im DP-Lager Eggenfelden, Pfarrkirchnerstr. 28 1/2. In dieser Zeit war er mehr oder weniger arbeitslos und lebte von der UNRRA. Zeitweise arbeitete er für das Jüdische Komitee und malte für sie Schilder oder er beschäftigte sich mit dem Malen von Bildern. Er wohnte 1947 im selben Haus zusammen mit seinem Bruder Moszek.
Es ist anzunehmen, dass die beiden Brüder große Strecken ihrer Odyssee gemeinsam zurückgelegt haben. Moszek kam, wie sein Bruder Binem, vom KZ-Außenlager Augsburg-Pfersee mit einem Transport am 16. November 1944 nach Leonberg. Es war ein Transport mit 147 polnischen Juden. Moszek Grünstein bekam die Natzweiler Häftlingsnummer 38693.
Während des Aufenthalts in Eggenfelden lernte Binem Grünstein auch seine spätere Frau kennen, Channa Bornstein.
Im Frühjahr 1949 ließ Binem Grünstein sich in Australien, einem typischen Einwandererland, registrieren. Im April / Mai 1949 fuhr er mit dem italienischen Schiff CASTELLBIANCO nach Australien. Es dauerte vier Wochen, bis er in Sidney ankam. Dort änderte er seinen Namen in William Grunstein, sein Bruder wurde zu Mark Grunstein. Als Einwanderer hatte er einen Zweijahresarbeitsvertrag abgeschlossen. Die australische Regierung schickte ihn nach Kasulan, wo er in der dortigen Schule für Militäringenieure eineinhalb Jahre in der Küche arbeitete. Mithilfe einer jüdischen Hilfsorganisation gelang es ihm, für seine in Schweden lebende Verlobte die Einreise nach Australien zu organisieren, sodass sie im Jahr danach beieinander waren und endlich heiraten konnten. Dem Paar wurden zwei Kinder geschenkt, der Sohn Harry, der in Australien lebt, und die Tochter Sarah, die in den USA lebt.
Beruflich betätigte sich William Grunstein in Australien als Kleiderfabrikant. Diese Tätigkeit hatte er 1990 aufgegeben, danach widmete er sich ausschließlich der Malerei. Er malte Porträts und Landschaften.
Mark Grunstein starb am 15.Februar 1996, WIlliam Grunstein am 8. Januar 2013.