Biografie Moshe Neufeld

Moshe Neufeld stammte aus Nordsiebenbürgen, das von 1920 bis 1940 zu Rumänien gehörte und mit dem 2. Wiener Schiedsspruch wieder an Ungarn zurückging. Er ist 1926 in Satu Mare geboren, eine Stadt von 52.000 Einwohnern, von denen ein Viertel Juden waren. Die Stadt war ein Zentrum des orthodoxen und chassidischen Judentums. Der Vater, Tsvi Hermann Neufeld, war Vertreter einer Textilfirma, der übers Land reiste, bis es für ihn als Jude im Jahre 1943 wegen der Antijudengesetze nicht mehr möglich war. Moshe hatte einen zwei Jahre jüngeren Bruder Israel und eine sieben Jahre jüngere Schwester Kathi. Entsprechend den Verhältnissen in einer Mittelstadt sprach man zu Hause ungarisch und nur gebrochen jiddisch. Auch in Satu Mare herrschte ein latenter Antisemitismus. Schon unter rumänischer Herrschaft gab es Berufs- und Bildungsbeschränkungen für Juden. So musste Moshe Neufeld nach zwei Jahren das Wirtschaftsgymnasium wieder verlassen, nur weil er Jude war. Er genoss eine fromme jüdische Erziehung. Mit dreizehn Jahren schloss er sich gegen den Willen seiner Eltern der linkszionistischen Jugendorganisation Schomer Hazair („Die jungen Wächter“) an. Noch unter rumänischer Herrschaft wurde diese Organisation als „kommunistisch“ verboten.

Am 3. Mai 1944 wurde in Satu Mare für Juden ein Zwangsghetto errichtet, in dem schließlich 19.000 Menschen auf engstem Raum zusammen gepfercht waren. Auch die Familie von Moshe Neufeld gehörte dazu. Zwischen dem 19. Mai und dem 1. Juni wurden 18.863 Juden mit sechs Transporten nach Auschwitz deportiert. Die Familie Neufeld wurde dem letzten Transport zugeteilt. Dieser kam am 7. Juni in Auschwitz an.

Der Zug war in Auschwitz-Birkenau an der berühmten Rampe angekommen. Sie wurden selektiert und so wurde das für ihn der Abschied von Mutter, Schwester, Bruder und Vater für immer.

Der Vater Tsvi Hermann Neufeld gehörte zu den letzten Opfern, die in Birkenau vergast wurden. Auf Anordnung Himmlers wurden Anfang November 1944 die Tötungen in Birkenau gestoppt und die Krematorien gesprengt. Drei Monate später war auch für Moshe Neufeld die Zeit in Auschwitz zu Ende.  Er wurde auf den Todesmarsch in Richtung Westen geschickt.

Die weiteren Stationen hießen für ihn und andere jüdische Leonberg-Häftlinge KZ Flossenbürg und KZ-Außenlager Leonberg. Wann er in Leonberg angekommen ist, lässt sich nicht sagen. Die Erinnerungen an Leonberg sind für ihn auch nicht konkret. Genaueres aber berichtete er über den Todesmarsch nach Bayern Mitte April. Sein Zielort war das KZ-Außenlager Mühldorf-Waldlager. Von dort aus erlebte er die abenteuerliche „Todesfahrt“ in Richtung Alpen.

Bei dem Tieffliegerangriff auf dem Bahnhof im oberbayrischen Poing wurde auch die Lok des Häftlingszugs aus Mühldorf getroffen. Trotz der Kriegswirren wurde Ersatz herbeigeschafft. In der Nacht vom 27. auf 28. April setzte sich der Zug, in dem sich neben Moshe Neufeld auch noch ein weiterer Leonberger KZ-Häftling, Ernst Israel Bornstein, befand, in Bewegung. Er kam schließlich bis nach Tutzing am Starnberger See, wo Moshe am 29. April 1945 die Befreiung durch US-Soldaten erlebte.      

Bis April 1946 befand er sich in einem Auffanglager in der ehemaligen Hitlerjugendführerschule in Feldafing am Starnberger See. Er suchte intensiv Kontakt mit Gruppen, die sich nach Eretz Israel (Palästina) einwandern wollten. Er fand eine solche Gruppe in Genua, die sich Barkai nannte. Mit dieser erreichte er zu einem frühen Zeitpunkt im Dezember 1946 über Zypern Palästina, wenige Tage ehe die Engländer die Grenzen für Einwanderer geschlossen hatten. Diese Gruppe gründete im Norden Israels den Kibbuz gleichen Namens, Barkai, in dem Moshe Neufeld bis zu seinem Tod am 4. Januar 2008 arbeitete und lebte.

Viele Jahre brauchte Moshe Neufeld, um den Verlust seiner ganzen Familie im Holocaust seelisch zu verkraften. Die Malerei, der er sich leidenschaftlich ein Leben lang widmete, gab ihm die Möglichkeit, von den Toten seiner Familie Abschied zu nehmen. Als die Stadt Leonberg im Oktober 2001 zusammen mit anderen ehemaligen Häftlingen des KZ Leonberg auch Moshe Neufeld eingeladen hatte, nahm er die Einladung nicht an. Es war ihm nicht möglich, denn der Flugplan sah vor, dass er am 22. Oktober, dem Todestag seines Vaters, reisen sollte. Stattdessen schickte er seine zwei Söhne Tsvi und Oded Neufeld.

Der Besuch der Söhne brach das Eis beim Vater. Zwei Jahre später, im Oktober 2003, kam Moshe Neufeld zusammen mit seiner Frau Sarah und der Tochter Rachel Nussinow doch noch nach Leonberg.


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