Biografie Radoslav Švagelj
Radoslav Svagelj wurde am 31. Dezember 1944 als KZ-Häftling nach Leonberg verschleppt. Er kam aus dem 1920 zu Italien geschlagenen Teil des heutigen Slowenien. Radoslav wurde 1922 in Stanjel (St. Daniel) geboren, einem Ort auf dem Karst („Kras“) oberhalb von Triest. Als junger Mann wurde er zum italienischen Militär eingezogen, aber wie alle slowenischen Soldaten wegen des italienischen Misstrauens gegen sie aus seinem Heimatland in eine andere Region Italiens geschafft. Ihre Einheiten hießen Battaglioni Speciali. Sie wurden von der italienischen Bevölkerung isoliert, viele waren in Sardinien stationiert. Waffen gab man ihnen persönlich nicht. Radoslav wurde in Caserta bei Rom stationiert. Er wurde als Panzerfahrer ausgebildet und sollte in Nordafrika eingesetzt werden. Doch letztendlich blieb ihm der Einsatz dort erspart.
Nach dem Abfall Italiens vom Bündnis mit den Deutschen am 8. September 1943 fuhr Radoslav mit der Bahn nach Monfalcone (an der Küste zwischen Goricia und Triest) und schlug sich von dort zu Fuß nach Stanjel durch. Immerfort musste er sich vor Entdeckung durch deutsche Soldaten hüten. Wie die meisten slowenischen Männer schloss sich Radoslav den Partisanen an. Auf dem Karst leisteten die Partisanen vielfältigen Widerstand gegen die nun deutsche Besatzung. So etwa bei einer Aktion, als sie die Faschisten (Italiener und SS), die in Stanjel saßen, von dort vertrieben. Die Faschisten rächten den Tod einiger Deutscher durch die Zerstörung von fünf Dörfern in der Umgebung. In Komen, dem heutigen Wohnort der Familie Svagelj, blieb nur die Kirche heil.
Die Frauen von Komen und anderen Dörfern wurden zur Zwangsarbeit bei Bauern nach Deutschland geschafft.
Die Männer waren ohnehin schon nicht mehr in den Dörfern. Sie waren entweder Milizionäre im Dienst der Deutschen, oder eben bei den slowenischen Partisanen. So hatte Radoslav die Aufgabe, die Gegend um Triest herum auf deutsche Soldaten auszuspähen. Diese fingen ihn dabei und brachten ihn nach Triest ins Gefängnis Coroneo.
Mit vielen anderen wurde er dann am 8. November 1944 in das Konzentrationslager Dachau bei München transportiert. Nach einer Zeit der Quarantäne wurde er als arbeitsfähig eingestuft und nach Leonberg verfrachtet. Am 31. Dezember 1944 kam er zusammen mit über zweihundert Gefangenen aus vielen Ländern in Viehwagen der Eisenbahn in Leonberg an und marschierte dann zu Fuß durch die Stadt zum Konzentrationslager.
Als die Front sich von Westen her Mitte April 1945 näherte, wurde das KZ-Lager Leonberg aufgelöst. In mehreren Transporten wurden Häftlinge nach Kaufering und nach Mühldorf am Inn verfrachtet, wo riesige Produktionsstätten für die Firma Messerschmitt im Bau waren. Sie mussten sich zu Fuß durch Stuttgart zum Bahnhof Esslingen schleppen und wurden dort in Güterwagen geladen. Unter ihnen befand sich auch Radoslav Svagelj. Dort angekommen pferchte man die Gefangenen in Hütten, die aus einem Dach über einer Erdvertiefung bestanden.
Als die Amerikaner von Westen her auch dorthin näher rückten, brachte ein Güterzug die Häftlinge weiter in Richtung München. „Feindliche“ Flieger kamen und beschossen den in einem Wald bei Schwabhausen abgestellten Zug. Auf dem Nebengleis stand ein Personenzug, der auch schon beschossen worden war. Die Insassen hatten das Weite gesucht. Rado und zwei andere Slowenen nahmen aus dem Zug Kleidungsstücke und Lebensmittelkonserven, versteckten sich damit im umgebenden Wald und bereiteten sich ein Lager. Bei der Suche nach Wasser wurden sie von bewaffneten Zivilisten erwischt und mit anderen Häftlingen im Dorf eingesperrt. Amerikanische Soldaten befreiten sie dort schließlich und brachten sie und die anderen Überlebenden des Zugtransportes, der beschossen worden war, in die Benediktiner-Abtei St. Ottilien bei Eresing.
Im Lazarett in der Abtei Sankt Ottilien erhielten viele hundert befreite Häftlinge eine eigene Abteilung mit Ärzten aus ihren Reihen. Sie waren erschöpft, krank, spindeldürr. „Ich hatte Typhus“, erzählt Radoslav Švagelj. Die Häftlinge wurden gepflegt und allmählich aufgepäppelt. Am 23. Juli war Radoslav wieder in seiner slowenischen Heimat.
„Mich hat in Slowenien noch nie jemand gefragt, was ich im Tunnel arbeitete“, sagte Radoslav zu uns, „ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen. In der Familie fragten die Söhne nach der Zeit im KZ, aber ich erzählte wenig.“