Nachruf auf Jaroslav Pek (1919-2012)
Es gehört zu den schmerzhaften Aufgaben unserer Gedenkstättentätigkeit, immer wieder Abschied zu nehmen von inzwischen sehr alt gewordenen, liebenswürdigen Menschen, mit denen wir im letzten Jahrzehnt als Überlebende des KZ Leonberg verbunden waren. Auf unseren diesjährigen Weihnachtsbrief erreichte uns die Nachricht vom Sohn Peter Pek, dass sein Vater Jaroslav Pek am 16. November 2012 in Tschechien im Alter von fast 93 Jahren verstorben ist. Jaroslav Pek hat – vermutlich aus gesundheitlichen Gründen – seit seinem KZ-Aufenthalt nie mehr Leonberg besucht, war im letzten Jahrzehnt leider auch nie unserer Einladung hierher gefolgt. Wir kennen ihn aber seit der ersten Begegnung von zwei Mitgliedern der Geschichtswerkstatt, Ingrid Bauz und Volger Kucher, die ihn im Dezember 1999 zu einem Interview in Prag besucht haben. Und wir kennen ihn aus Ausschnitten aus dem Film „Überlebende des KZ Leonberg“, mit dem der Filmemacher Vaclav Reischl, nachdem er seinen Landsmann im Jahr 2002 in Prag besucht hatte, ihm ein Denkmal gesetzt hat.
Jaroslav Pek wurde am 14. Dezember 1919 in Týn an der Moldau geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in der ukrainischen Stadt Charkow, wo seine Eltern in einer Traktorenfabrik Arbeit gefunden hatten. 1937 kehrte die Familie aus politischen Gründen nach Prag zurück.
Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Deutschen schloss Jaroslav Pek, 20jährig, sich dem Widerstand gegen den Faschismus und gegen die deutsche Besatzung an. Als Verbindungsmann des tschechischen Widerstands wurde er am 19. September 1941 verhaftet und als politischer Schutzhäftling im Oktober 1941 in das KZ Mauthausen deportiert. Er hatte dort im Steinbruch zu arbeiten. Von November 1942 bis November 1944 war er im KZ-Außenlager Steyer-Münichholz. Es war eines der ersten KZ-Außenlager, in denen Häftlinge für die Rüstungsindustrie in Zwölfstundenschicht eingesetzt wurden. Die Gefangenen hatten für die Steyer-Daimler-Puch-AG Daimler-Benz-Motoren herzustellen. Als Pek im November 1944 nach Auschwitz transportiert wurde, hatte er schon reichlich Lagererfahrung gesammelt. Er blieb dort bis zur Evakuierung von Auschwitz im Januar 1945. Von dort nahm er im eiskalten Winter an den berüchtigten Todesmärschen zum KZ Groß-Rosen teil und gelangte am 13. Februar 1945 in das überfüllte KZ Flossenbürg in Bayern. Jaroslav Pek gehörte dann zu dem Transport der 1000 Häftlinge, die am 16. März 1945 Leonberg erreichten, deren Namen im April/Mai 2013 in die Stahlplatten des geplanten „Hauses der tausend Namen“ gehauen werden sollen. Freilich, sein Name steht bereits auf der Namenswand, da er bei der Errichtung derselben im Jahr 2005 uns schon bekannt war.
Im erwähnten Film erinnert sich Jaroslav Pek noch lebhaft an die Leonberger Zeit: „In Leonberg hat man nur Menschen zusammengepfercht aus allen möglichen KZs. Da gab es unter den Häftlingen keine Solidarität.“ Anders war es im KZ Mauthausen oder auch im KZ Steyer gewesen. Da waren sie eine landsmännische Gruppe und hielten zusammen. In Leonberg ging es nur noch ums Überleben, so erinnerte er sich. Die erzwungene Arbeit mit den pneumatischen Niethämmern in Zwölfstundenschichten ist ihm noch in schrecklicher Erinnerung. Ebenso die schlechte Behandlung und der ständige Hunger in der ungelüfteten, unterirdischen Fabrik. Jaroslav Pek blieb in Leonberg bis zur Auflösung des Lagers Mitte April 1945. In Fünferreihen ging es auf einen neuen Todesmarsch in Richtung Ulm. Dort erfolgte die Verladung in Güterwagen, wobei sie die ganze Zeit ohne Nahrung blieben. Die Endstationen hießen Kaufering und Mühldorf in Bayern. Ende April war von der SS nichts mehr zu sehen. Die Gefangenen wurde durch die US-Armee befreit. Pek requirierte zusammen mit einigen Kameraden ein Wehrmachtsfahrzeug und kam damit am 10. Mai 1945 zu Hause in Prag an. Jetzt ist er gestorben. Wir halten ihn in Erinnerung. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie.
Eberhard Röhm