Nachruf auf Renate Stäbler

Renate Stäbler 1.3.1938 - Dezember 2024

Die KZ-Gedenkstätte Leonberg trauert um ein Urgestein unseres Vereins. Anfang Dezember ist Renate Stäbler im Alter von 86 Jahren verstorben.

Renate Stäbler war in den Jahren 1999 bis 2001 zusammen mit ihrer Partnerin, der langjährigen Redakteurin der Leonberger Kreiszeitung, Monica Mather, Mitglied der achtköpfigen Geschichtswerkstatt der Leonberger Volkshochschule zur Erforschung der Geschichte des KZ Leonberg. Seither war sie eine der aktivsten Mitglieder der 1999 gegründeten KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg, wie damals der Name unseres Vereins war. Mit ihrem Ruhestand ging sie ihrem Hobby nach, indem sie als Gasthörerin Vorlesungen für Geschichte an der Universität Stuttgart besuchte. Als leidenschaftliche Politikerin und Gewerkschaftlerin – 20 Jahre Mitglied im Kreistag für die SPD und 20 Jahre Betriebsratsvorsitzende der Leonberger Bausparkasse sowie Arbeitnehmerin im Aufsichtsrat der Leobau – war sie für uns ein Glücksfall, um der bei den Leonbergern noch mit großer Zurückhaltung aufgenommenen Gedenkstättenarbeit öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung zu verschaffen. Als wir gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Abschlussarbeit der Geschichtswerkstatt („Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg“) in Gegenwart nicht weniger ehemaliger KZ-Häftlinge und ihrer Familien im Oktober 2001 die ersten sechs Tafeln auf dem „Weg der Erinnerung“ einweihten, hat Renate Stäbler die erste Führung auf diesem Weg übernommen. Mit großer Leidenschaft hat sie sich während der zwei Jahre Geschichtswerkstatt im Gespann mit Monica Mather der Erforschung der grauenhaften Geschichte unserer Stadt gewidmet. Sie interviewten eine ganze Reihe von Leonberger Bürgerinnen und Bürger. Wir verdanken Renate Stäbler, teilweise auch in Kooperation mit ihrer Partnerin Monica Mather, die zentralen Beiträge im erwähnten grundlegenden Werk zur Geschichte des KZ Leonberg. Sie beschreiben dort in ihren Beiträgen das Äußere des KZ, die menschenverachtenden Bedingungen bei der Arbeit sowie den Häftlingsalltag.

Nicht zufällig war Renates Partnerin Monica Mather die erste Journalistin überhaupt, die in der Leonberger Kreiszeitung das Thema KZ Leonberg aufgriff. 1978 rezensierte sie in der LKZ die erste wissenschaftliche Veröffentlichung zum KZ Leonberg, einen umfangreichen Aufsatz des PH-Studenten Jürgen Klingel. Dafür erntete sie damals üble Zuschriften. 1979 berichtete sie breit über die drei Informationsabende zum Thema „KZ Leonberg“ im Haus der Begegnung. Beide Frauen hatten darauf gewartet, dass sich ihnen eine Gelegenheit bot, sich in einer Geschichtswerkstatt an der Erinnerungsarbeit für Leonberg zu beteiligen. Sie taten dies dann auch mit großem Engagement in der Folgezeit. Renate Stäbler war in der Anfangszeit des Vereins viele Jahre lang Stellvertretende Vorsitzende. Ihr verdanken wir aufgrund ihrer gewerkschaftlichen „Beziehungen“ Spenden von Großfirmen für die Finanzierung größerer Projekte wie die Tunnel-Ausstellung. Sie knüpfte aber auch ganz persönliche Beziehungen zu einzelnen ehemaligen Leonberger KZ-Häftlingen an wie mit Claude Brignon und dessen Lebenspartnerin, die sie mehrmals in Frankreich besuchten. Unvergessen auch die Geschichte der Begegnung mit Kamil Pixa, einem berühmten tschechischen Filmemacher, der die Technik von Kurz-, Trick- und Puppenfilmen entwickelte.  Über eine Postkarte vom 2. September 1944 an ihn im „Lager Leonberg“ (!) konnten die beiden Lokalhistorikerinnen die Adresse ausfindig machen und Kamil Pixa zusammen mit seinem Sohn zur Einweihung der Namenswand am 8. Mai 2005 nach Leonberg einladen. Die Postkarte hatten die beiden von einem Sammler erworben. Eine Geschichte für sich!  (Bericht über Kamil Pixa und die unglaubliche Geschichte mit der Postkarte in unserem Buch „Aus vielen Ländern Europas“ (2020 in 2. Auflage), S. 105 – 114.)

Wir haben von Renate Stäbler auch noch andere Arbeiten zur Lokalgeschichte. 2007 erschien bei uns als Herausgeber die Broschüre „Schwierigkeiten des Erinnerns. Über den Umgang der Leonberger mit dem KZ nach 1945.“ Renate Stäbler hat sich auch mit ganz anderen Themen beschäftigt. So gibt es von ihr eine Broschüre „Historische Spuren von Beginen im Leonberger Raum“ und sie schrieb über ihren Wohnort „Warmbronn – Geschichte eines altwürttembergischen Fleckens“. Und im Jahr 2013 erschien „Bauernführer, Hexen, Mägde, Schultheißen“.

Eberhard Röhm – 10.12.2024

Ebenfalls einen Nachruf verfasste Arno Einholz, ehemaliger Redakteur der LKZ:

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.trauer-in-leonberg-eine-streitbare-kaempferin.f0bd08d6-e2e0-4d9f-a5b9-ffe7a4e41197.html


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