Aktion 1005 - Spurenbeseitigung von NS-Massenverbrechen

KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. und Evangel. Erwachsenenbildung Leonberg laden ein: 9. Mai 2022, 19.30 Uhr im Haus der Begegnung, Eltinger Str. 23, Leonberg

Der Historiker Andrej Angrick hat die von Himmler angeordnete geheime Vertuschungs-„Aktion 1005" erforscht. Er wird angesichts des Ukraine-Kriegs insbesondere die Maßnahmen der SS im Raum Kiew beleuchten. Am 29./30. September 1941 erschossen deutsche Einsatztruppen in der Schlucht Babii Jar über 33.000 jüdische Frauen, Männer und Kinder und verscharrten sie dort – die größte Massenerschießung im Holocaust. Eine Vertuschung seitens der SS misslang, weil 1944 die Rote Armee Kiew befreite.

Die Gedenkstätte Babyn Jar „gehört“ Ukrainern und Russen gemeinsam – aber am 1. März 2022 schlugen Putins Raketen in unmittelbarer Nähe der Holocaust-Gedenkstätte ein.

Auf Einladung der KZ-Gedenkstätteninitiative und der Evangel. Erwachsenenbildung wird uns Dr. Andrej Angrick zum 77. Jahrestag des Kriegsendes über die Aktion 1005 informieren.

Seine zweibändige Dokumentation über die NS-Massenverbrechen und deren Vertuschung wird uns einiges abverlangen. „Ganz wie der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede im Mai 1985 feststellte:

„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Und mutete den Deutschen zu:

„Der 8. Mai ist ein Tag der Erinnerung. Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird. Das stellt große Anforderungen an unsere Wahrhaftigkeit“.

„Aktion 1005. Spurenbeseitigung von NS-Massenverbrechen“

So heißt das Grundlagenwerk von Andrej Angrick über die letzte Phase der nationalsozialistischen Verbrechen. Nach Raub und Mord folgte die Vertuschung – das Wort die Durchführung heißt „Enterdung“.

„Enterdung“, was ist das?

Das Wort beschreibt die völlige Vernichtung der bereits Ermordeten: einerseits Vertuschung der Massaker; aber auch NS-ideologie: Mord genügte nicht, die Menschen sollten überhaupt nie gelebt haben – keine Spuren einer Existenz. Dazu befahl ab 1943 SS-Chef Himmler die geheime „Aktion 1005": Andrej Angrick hat die Maßnahmen, Handlungen und Verantwortlichkeiten in allen Einzelheiten erforscht und aufgeschrieben. Seine Dokumentation hat über 1300 Seiten und ist nur portionsweise lesbar, kaum zu ertragen.

Bei der „Aktion 1005“ ging es um die Beseitigung aller Massengräber, also der dort verscharrten Leichen. Dazu mussten sie wieder ans Tageslicht, die „Enterdung“. Dieser Vorgang lief so ab: Häftlinge mussten die Leichen ausgraben und mit Stangen herausziehen. Die Toten wurden mit Öl präpariert, zu Scheiterhaufen aufgestapelt, angezündet und verbrannt. So entstanden in Osteuropa Regionen, in denen dichter Rauch und beißender Geruch waberten und tausende Scheiterhaufen mit verwesenden menschlichen Körpern loderten.

Die Knochenreste warf man in Knochenmühlen, deutscher Maschinenbau sollte alle Spuren verwischen. Asche und Knochen dienten der „Modellierung“ der Lagergelände. So wurden etwa aus den aufgegebenen Vernichtungslagern Belzec und Treblinka harmlose Landschaften mit frisch gepflanzten Bäumen, Wiesen und neuen Bauernhäusern.

Die Rede von Richard von Weizsäcker im Wortlaut:

https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/Reden/1985/05/19850508_Rede.html

Das  Buch von Dr. Andrej Angrick:

„Aktion 1005“ – Spurenbeseitigung von NS-Massenverbrechen 1942–1945: Eine „geheime Reichssache“ im Spannungsfeld von Kriegswende und Propaganda. Wallstein, Göttingen 2018, ISBN 978-3-8353-3268-3 (2 Bände, 1381 Seiten).


zurück