Alaaf und Heil Hitler ! Karneval im Dritten Reich
Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. lädt ein ins BücherCafé am Sonntag, 3. März, 15 Uhr (Samariterstift, Seestraße 74, 4. Stock, Aufzug bis zum 3. Stock)
Dieses Jahr steigert sich in Leonberg, beginnend mit dem Pferdemarkt, die Fastnacht zu wochenlanger Fröhlichkeit. Anstrengend. Und auch ein bisschen „bewusstlos“, denn in der Geschichte des Karnevals gab es auch Tage, die nicht so toll waren. Wer sich also vor den Höhepunkten am Rosenmontag und Dienstag die Pappnase mal abnehmen will, der ist herzlich eingeladen zur Vorstellung des Buches der beiden Historiker und „Faschingsforscher“ Carl Dietmar und Marcus Leifeld:
„Alaaf und Heil Hitler! Karneval im Dritten Reich“
Sie werden erfahren, wie uralte Bräuche zur Bekämpfung von Dämonen und zur Winteraustreibung von der Kirche nicht bekämpft, sondern vereinnahmt wurden. Diese vermeintliche Toleranz, ausgelassen toben und prassen zu können, sollte den Gläubigen die kommende ernste Fastenzeit erleichtern - erst am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei. Sie hören, wie im anarchistischen Fastnachtstreiben Kritik an Adel, Behörden und Klerus aufbrachen und wie deshalb der Karneval immer wieder einmal verboten wurde. Wie Bürgertum und Handwerk sich in Vereinen organisierten und mit Kritik an Obrigkeit nicht sparten. Wie nach der Reichsgründung 1871 aus den karnevalverrückten Rheinländern kaisertreue Preußen wurden, die nach dem 1. Weltkrieg Demokratie und Republik Schuld an Deutschlands Niedergang gaben. Erschrecken könnte Sie, wie schnell sich die maßgebenden Karnevalsvereine im Rheinland, im Münchner Fasching und der Schwäbisch-Alemannischen Fastnacht der nationalsozialistischen Ideologie unterwarfen oder sie sogar begrüßte: aus dem regionalen Karneval wurden Feiern der klassenlosen „Volksgemeinschaft“, zu denen die Kraft-durch-Freude-Organisation preiswerte Reisen aus allen Teilen des Dritten Reichs organisierte – nach Köln, Düsseldorf, Mainz, Frankfurt, München, Freiburg.
Und es dauerte mehrere Generationen, bis bei den Karnevalisten die Lebenslüge zusammenbrach, man sei ja im Karneval das „Sprachrohr“ des Volkes gewesen und habe die Nazis durchaus bekämpft. Aber schon 1934 wurde im Kölner Rosenmontagszug begeistert begrüßt und als populäres Karnevalslied vorgetragen „Hurra, mer wäde jetz die Jüdde loß, die ganze koschere Band trick nohm gelobte Land. Mir laachen uns für Freud noch halv kapott” (Hurra – wir werden jetzt die Juden los, die ganze koschere Bande schleicht ins gelobte Land. Wir lachen uns vor Freude noch halb kaputt). Das war der – heute neudeutsch – „Mainstream“ im Karneval und anderswo. Es gab Ausnahmen, von denen werden Sie am Sonntag im BücherCafé hören, und wie es ihnen nach dem Krieg erging.
Das alles können Sie kennen lernen und sich dann gut informiert in die Höhepunkte der Fastnacht werfen!
Antisemitischer Wagen im Kölner Karneval, 1934 (Fotograf: unbekannt)
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