Auch die Vergessenen bekommen Namen

von Arnold Einholz
Die Gedenkstätteninitiative plant auf dem Gelände vor dem alten Autobahntunnel ein weiteres Mahnmal für die Häftlinge des KZ Leonberg zu errichten. In einem Camp werden Jugendliche die Platten für das „Haus der 1000 Namen“ bearbeiten.
Leonberger Kreiszeitung, 10. April 2013

Bausteine für das „Haus der 1000 Namen" - ein weiteres Mahnmal für die ehemaligen Häftlingen des KZ Leonberg - können von Donnerstag an gekauft werden. Die KZ-Gedenkstätteninitiative ist dafür bis Samstag, 13. April, mit einem Stand im Leo-Center präsent.

Damit soll ein finanzieller Beitrag zum Projekt „Haus der 1000 Namen" geleistet werden, das die Initiative zwischen dem 29. April und dem 9. Mai auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte beim alten Autobahntunnel plant. Mit dem „Haus der 1000 Namen" will die KZ-Gedenkstätteninitiative weiteren fast 1000 ehemaligen Häftlingen des KZ Leonberg gedenken. Dabei sollen vor allem Jugendliche in das Projekt eingebunden werden und es aktiv mitgestalten. Die Namen dieser Männer waren vor sieben Jahren noch nicht bekannt gewesen, als die stählerne Gedenkwand vor dem alten Engelbergtunnel aufgestellt wurde.

„Mit der KZ-Gedenkstätte haben wir einen Lernort mit besonderen Merkmalen geschaffen - außerhalb der Schule und an authentischen Orten, die selbst die furchtbare Geschichte erklären und die einen besonderen Zugang zur Geschichte ermöglichen", erläutert Manfred Pauschinger. Gemeinsam mit Holger Korsten, ebenfalls aus dem Vorstand der KZ-Gedenkstätteninitiative, hat er die Federführung für das Projekt „Haus der 1000 Namen". Der Tübinger Künstler Johannes Kares hat für die KZ-Gedenkstätteninitiative ein zweites Kunstwerk errichtet, gegenüber der Wand mit den schon bekannten Namen. Es ist ein abstrahiertes Haus aus Stahlrohren, das die Stahlplatten beherbergen wird, in die die neu erforschten Namen von Hand mit Schlagbuchstabenten geschlagen werden.

Das soll in einem Jugend-Camp geschehen. 16 Gruppen mit Schülerinnen und Schülern ab der neunten Klasse aller Schularten. Auszubildende von Daimler und eine Gruppe aus dem Seehaus werden unter Anleitung des Künstlers aktiv werden. „Die Akzeptanz und das Interesse sind weit über die Grenzen von Leonberg hinaus so groß, dass wir leider sogar einige Gruppen abweisen mussten", bedauert Holger Korsten. Neben dem handwerklichen Teil gibt es auch ein Rahmenprogramm, das unter anderem eine Begegnung mit dem Thema KZ und Zwangsarbeit in Leonberg beinhaltet. „Mit im Camp dabei sind auch Zeitzeugen und ehemalige Häftlinge, von denen wir uns einen regen Dialog mit den Jugendlichen erhoffen", so Manfred Pauschinger.

Zugesagt haben sechs ehemalige KZ-Häftlinge, die heute in Israel, Slowenien, Italien und Frankreich leben, sowie neben Leonberger Bürgern auch zwei weitere Zeitzeugen aus Deutschland. Finanziert wird das Projekt, für das Kosten in Höhe von 34 000 Euro veranschlagt sind aus Mitteln der Gedenkstätteninitiative. 70 Prozent steuert die EU aus dem Förderprogramm „Europa für Bürgerinnen und Bürger" bei. Weitere 15 000 Euro sind für den Besuch der ehemaligen Häftlingen und der Zeitzeugen vorgesehen.

Dabei kann die Gedenkstätteninitiative auch mit Spenden und Unterstützung verschiedener Firmen, der Stadt, des Landkreises und durch Privatpersonen rechnen. In den Röhren des alten Autobahntunnels produzierten insgesamt fast 5000 Häftlinge vom Frühjahr 1944 bis April 1945 die Tragflächen des Messerschmitt-Düsenjägers Me 262. In der bestehenden Gedenkwand sind mit Laser die 2892 Namen von KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern sowie 16 Gestapo-Häftlingen eingeschnitten. "In den Wirren des untergehenden Nazi-Regimes kam am 16. März 1945 ein weiterer Transport mit 999 Häftlingen an, der im KZ Leonberg nicht mehr erfasst wurde. Das Hauptlager Natzweiler, in dem sonst sechs Exemplare des Nummernbuches geführt wurden - einem ehemaligen Häftling gelang es, einige herauszuschmuggeln - existierte nicht mehr.

Die Bürokratie des SS-Lagersystems war zusammengebrochen. Die 999 Männer - die Namen von 986 hat die Gedenkstätteninitiative aus mehreren KZ-Listen zusammengetragen – hatten bereits einen langen Leidensweg hinter sich. Unter ihnen waren mehr als 650 Juden aus Ungarn. Sie kamen aus Auschwitz und waren zu Fuß von Groß-Rosen nach Flossenbürg in die Messerschmitt-Flug-zeugproduktion getrieben worden, bevor sie in Züge gesteckt und nach Leonberg und Dachau transportiert wurden.

GEDENKEN AN DIE OPFER

Vom 29. April bis zum 8. Mai wird auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte ein Jugendcamp stattfinden. Dabei wird das Mahnmal „Haus der 1OOO Namen", ein Mahnmal für die ehemaligen Häftlinge des KZ Leonberg errichtet.

Am 9. Mai, dem Europatag, wird die Skulptur mit einem Festakt um 11.15 Uhr übergeben.

Weitere Bausteine für das „Haus der 1000 Namen" - also Spenderurkunden über jeweils zehn Euro - können auch bei der Vereinsvorsitzenden Marei Drassdo, Telefonnummer 07152 / 419 75, erworben werden.


zurück