August Lämmle - noch immer Leonberger Ehrenbürger

Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. lädt ein zum Büchercafé am Sonntag, 3. November 2019, 15 Uhr,  im Samariterstift, Seestraße 74 (Samariterstift), 4. Stock

Viele nennen August Lämmle, Jahrgang 1876, den „Dichter der Schwaben“. Der 1876 bei Ludwigsburg geborene Volkskundler sammelte und veröffentlichte schwäbische Redensarten, Sagen, Sprichwörter und Volkslieder – ein schwäbischer Mundartdichter. In Besenwirtschaften wird schon mal „Schwobaland“ gesungen; in der ersten Strophe heißt es „Steig nuf dr Berg, guck naus ins Land, was mir fir a scheena Hoimat hand“.

Dieter Rebstock, Hauptschullehrer i. R., wird das Leben und Wirken des Leonberger Ehrenbürgers unter dem Titel „… der ewige Brunnen des Bluts“ beleuchten. Anschließend können die Besucher diskutieren, inwieweit Lämmle sich heute am Schulprofil der August-Lämmle-Schule - „…die Anleitung zu demokratischem Handeln ist uns sehr wichtig“ - beteiligen kann. 

Die Besucher werden erfahren, wie sich Lämmles Weltbild in einer Zeit industriellen Wandels, revolutionärer Klassengegensätzen und Verarmung der Bauern formte – und wie er diesen Veränderungen heimatbezogene Bewahrung, Abgrenzung und Rückbesinnung entgegenhielt.

Sie hören, wie er in den dem schwäbischen Volks- und Bauerntum zugewandten Nationalsozialisten die Zukunft sah und am 1. Mai 1933 NSDAP-Mitglied wurde. Der „Blut-und-Boden“-Dichter und Hitler-Verehrer und machte Karriere, u.a. in der Reichsschrifttums- und in der Reichskulturkammer, die direkt Joseph Goebbels unterstanden und der „Freihaltung des Schrifttums von ungeeigneten und unzuverlässigen Elementen" diente. 1934 wurde er Mitglied im Landesvorstand des „Kampfbundes für Deutsche Kultur". 1939 ernannte ihn der NSDAP-Gauleiter, SS-Obergruppenführer und Reichstatthalter Wilhelm Murr als „besten Kenner des schwäbischen Volkes“ zum Vorsitzenden des „Bund für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern“.

Welche Ansichten und Appelle er bis Kriegsende veröffentlichte, wird manchen Besucher ebenso überraschen, wie seine noch in den fünfziger Jahren geäußerten Auffassungen zu „Rassenkrieg“, „NS-Idealismus“ und „Materialismus der Nachkriegszeit“.

1945 endete das „1000-jährige Reich“ in der materiellen und moralischen Katastrophe der Deutschen. In Ermangelung einer reinigenden deutschen Revolution einigten sich die Siegermächte auf ein Verfahren, das beim Aufbau der neuen demokratischen Gesellschaftsordnung die alten Nazi-Ideologen und Täter ausschließen sollte: Spruchkammern sollten das deutsche Volk „entnazifizieren“. Allein in Nord-Württemberg wurden 900.000 Einwohner einem Spruchkammerverfahren unterzogen.

So auch August Lämmle. Als er am 27. Mai 1947 die Entscheidung der Spruchkammer 29 -Leonberg erhielt, war das der Schlussstrich unter sein Handeln und Wirken im Nationalsozialismus, ein erfolgreiches und geehrtes Leben in der neuen deutschen Republik konnte beginnen: nur „Klasse IV, Mitläufer, 2000 Reichsmark Sühnegeld“.

Also alles gut. Die Auflagen seiner Heimatbücher stiegen, 1951 verlieh ihm die Landesregierung den Professorentitel und die Stadt Leonberg machte ihn zum Ehrenbürger, nannte eine Straße nach ihm und eine Schule. Hochgeehrt starb er mit 85 Jahren am 8. Februar 1962. August Lämmle war seit 1943 Leonberger Bürger, Am Ramtel 22, auf der höchsten Bergkuppe. Von dort hätte er es nicht weit zum Blosenberg gehabt: „Steig nuf dr Berg, guck naus ins Land“ - von dort freie Sicht auf das KZ Leonberg.


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