Begegnung an den Stätten unmenschlichen Leidens
Leonberger Kreiszeitung, Freitag, 19. Juli 2000
Ausstellung mit Bildern eines ehemaligen KZ-Häftlings und Stadtführer zu KZ und Zwangsarbeit geplant
LEONBERG - Für viele war es kein einfacher Weg; düstere Erinnerungen an unmenschliches Leid kamen auf. Es war für sie eine Pflicht und eine Ehre, die Einladung anzunehmen. Aber die menschlichen Begegnungen haben keinen der ehemaligen KZ-Häftlinge die Rückkehr an die Stätten ihres einstigen Martyriums bereuen lassen.
Im Vorfeld der Entscheidung des Sozial- und Kultusausschusses des Gemeinderates über zukünftige Projekte und Aktionen zur Aufarbeitung der KZ-Geschichte und der Zwangsarbeit in Leonberg, zog am Mittwoch Stadtarchivarin Bernadette Gramm ein Fazit des Besuchs von ehemaligen KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern auf Einladung der Stadt im Oktober 2001.
Anlass für die Einladung war die Präsentation des Buches "Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg''. Dieses war das Ergebnis der Arbeit einer VHS-Geschichtswerkstatt. Eingerichtet wurde die Werkstatt im Oktober 1999 auf Anregung der im März gleichen Jahres gegründeten KZ-Gedenkstätteninitiative. Wichtiger Vorläufer war dabei die Geschichtswerkstatt "Nachkriegsalltag in Leonberg''. Ziel war, die Forschungen in einem Buch in der Reihe "Beiträge zur Stadtgeschichte'' festzuhalten, denn die Literatur zur KZ-Geschichte war zum Teil überholt und bot nur dürftige Informationen über die Häftlinge.
Die ehrenamtlichen Mitglieder forschten in Archiven und interviewten Zeitzeugen. Durch die neu gewonnenen Erkenntnisse wurde das Buch umfangreicher als erwartet - 464 statt 300 Seiten. In einer Auflage von 1550 Exemplaren gedruckt, wurde es zum bestverkauften Buch in der Archiv-Reihe. Es gibt noch rund 640 Stück.
Da sich die Fertigstellung des Buches verzögerte, entschied sich die Gedenkstätteninitiative zu einer eigenen früheren Einladung der Interviewpartner der Geschichtswerkstatt. Nach dem Tode eines italienischen Interviewpartners befürchtete man, dass noch mehr nicht in der Lage sein werden, im Herbst zur Buchpräsentation zu kommen. Am Ende der Forschungen standen im Oktober 33 ehemalige KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiter auf der Einladungsliste der Stadt. Neun sagten ab. Einer war verstorben. Auf sechs Einladungen kam keine Reaktion.
16 Häftlinge und Zwangsarbeiter nahmen mit einem Angehörigen die Einladung des Oberbürgermeisters an, einer sandte zwei Söhne als Stellvertreter. Neben der Buchpräsentation war die Eröffnung des KZ-Gedenkpfades ein zweiter Höhepunkt des Besuches. Die Begegnungen mit den Mitgliedern der Geschichtswerkstatt, mit interessierten Bürgern, mit Schülern, die großzügige Einladung der Stadt, hat nach den Worten von Stadtarchivarin Gramm bei den ehemaligen Häftlingen und Zwangsarbeitern das Bild "der Deutschen'' stark ins Positive verändert.
Im kommenden Jahr ist nun eine Ausstellung mit Bildern des ehemaligen KZ-Häftlings Moshe Neufeld geplant. Zudem wird von der Gedenkstätteninitiative ein Stadtführer zu KZ und Zwangsarbeit herausgebracht. 2004, anlässlich der 60 Jahre seit der Einrichtung des KZ, will die Stadt erneut ehemalige Insassen einladen.