Bombardierung von Leonberg vor 80 Jahren-

Bombardierung von Leonberg vor 80 Jahren-

Der Tod kam bei schönstem Sonnenschein

01.03.2025 - 06:52 Uhr

Häuser im nördlichen Stadtgebiet, Vordergrund: Überreste des Hauses der Familie Zerweck in der Graf-Eberhard-Straße Foto: Archiv/aa

Am 1. März jährt sich zum 80. Mal die Bombardierung von Leonberg. 19 Zivilisten – Kinder, Frauen, ältere Männer – sind bei diesem sinnlosen Angriff ums Leben gekommen.

Arnold Einholz

„Es war ein wunderschöner Tag, mit strahlend blauem Himmel und obwohl wir gewarnt waren, brach plötzlich die Hölle über Leonberg herein.“ So haben viele Überlebende den 1. März 1945 beschrieben. Lässt sich die Sinnlosigkeit eines Krieges noch steigern? Er wird noch sinnleerer, wenn in diesem Wahnsinn unschuldige Kinder, Frauen und alte Menschen ihr Leben lassen müssen. Am Samstag, 1. März, jährt sich zum 80. Mal, dass die Stadt Ziel eines Bombenangriffs wurde. Dabei sind 19 Menschen ums Leben gekommen.

Gegen 15.20 Uhr hatten etwa zwei Dutzend zweimotorige amerikanische Marauder-Bomber innerhalb weniger Sekunden ihre tödliche Last über der Stadt abgeworfen. Danach drehten sie nach Westen ab. Etwa 70 Sprengbomben und 20 Flammenstrahlbomben gingen über Leonberg nieder, auch zwölf besonders perfide Bomben mit Zeitzünder. So hatte sich in einem Gespräch vor 25 Jahren die Leonbergerin Else Häcker daran erinnert, dass eine solche Bombe nach Mitternacht im Garten der Familie an der Feuerbacher Straße (der ehemaligen B 295) gegenüber dem Hasenbrünnele hochgegangen war. Zum Glück wurde niemand verletzt.

Dokumentation US-amerikanischer Flugzeuge der Bombenangriffe vom 1. März 1945 auf Leonberg, die Einschläge sind als kleine Kreise zu erkennen Foto: Kampfmittelbeseitigungsdienst/Archiv

Dabei war es noch Glück im Unglück, dass beim Anflug die Bombenschützen in den Maschinen wohl einige Sekunden zu früh auf die Auslöser drückten – rund zwei Drittel der Bomben fielen auf die Äcker beim Hasenbrünnele. Aber die Goethestraße, die Graf-Eberhard-Straße und die Eltinger Straße traf es schwer. Geringere Schäden gab es in Eltingen. 20 Häuser wurden völlig zerstört, etwa 300 beschädigt.

Der Bruder konnte nur tot geborgen werden

„Ich war noch keine drei Jahre alt, aber dieser Tag hat sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt, als sei es gestern gewesen“, erinnert sich der 83-jährige Leonberger Optikermeister Werner Zerweck. Jahrzehntelang hätten ihn die traumatischen Ereignisse seelisch mitgenommen, denn der Schicksalstag hat das Leben der Familie für immer dramatisch verändert.

Die Tragödie nahm ihren Lauf, als eine der großen Sprengbomben die Häuser der Familien an der damaligen Unteren Marktstraße 3 und 5 traf. Die Straße gibt es nicht mehr, an der Stelle steht heute an der Graf-Eberhard-Straße das Haus der Familie. „Mein Bruder Martin, der am 4. April sechs Jahre alt geworden wäre, wurde tot aus den Trümmern geborgen“, schildert Zerweck. Gestorben war auch Tante Gretel Besserer, die auf die Kinder aufpasste. Schwer verletzt wurde die Haushälterin des Großvaters, Hermine Fischer. Sie starb zwei Wochen später im Krankenhaus.

„Es dauerte mehr als zwei Stunden, bis man mich in den Trümmern fand, ich war bis zum Hals verschüttet, hatte aber nur einige kleine Platzwunden“, erzählt Werner Zerweck. Vater Gotthold Zerweck konnte bei der Rettung seines Kindes nicht helfen. Er war in Pforzheim, wo er in einem Zünderwerk dienstverpflichtet war, um nach dem schweren Luftangriff auf die Stadt am 23. Februar 1945, der mehr als 17 600 Tote gefordert hatte, bei den Aufräumarbeiten zu helfen. „Der 1. März war ein Tag, über den meine Eltern ganz selten und nur ungern sprachen.“

Der Leonberger Hermann Beile, der seinerzeit als 26-jähriger Leutnant Messoffizier und Batterieführer einer 8,8-Flakstellung zwischen Vaihingen und Büsnau war, hat in seinen Erinnerungen den Tag als besonders schön geschildert – der Himmel sei blau gewesen und die Sicht reichte 150 Kilometer. In der Flakstellung in Vaihingen war das Geschwader, das Leonberg angriff, bestens bekannt. Etwa 100 der zweimotorigen Bomber mit dem knallroten Leitwerk waren im französischen Dijon stationiert.

Die Bomber wichen den Flugabwehrkanonen aus

Am Vormittag des 1. März 1945 waren sie über den Schwarzwald nach Norden gezogen und hatten Heidelberg, Mannheim und Würzburg angegriffen. Etwa 25 Maschinen kamen über Heilbronn zurück. In 3000 Metern Höhe flogen sie mit offenen Bombenschächten auf die feuerbereiten Geschütze der Stuttgarter Luftabwehr zu, aber dann bogen sie nach Westen in Richtung Leonberg ab. Hier klinkten sie ihre tödliche Last aus. 14 Menschen starben unmittelbar bei dem Bombenangriff. Von den 46 Verletzten erlagen in den Tagen nach dem Bombenangriff fünf ihren Wunden.

Wie Jahre später Hermann Beile recherchiert hatte, kannten die Piloten die Stellung der Flugabwehrkanonen nur zu gut und drehten deshalb noch bevor sie in die Reichweite der Geschütze kamen, nach Westen ab und flogen über Leonberg.

Denkmal für die Opfer des Luftangriffs Foto: Archiv/Gorr

Die Flieger haben ihre Bomben offenbar nur abgeworfen, um nicht auf ihrem Standortflughafen in Frankreich damit landen zu müssen. Das war nämlich bei vollen Bombenschächten ein äußerst gefährliches Unterfangen, bei denen die Besatzungen beim kleinsten Fehler sich und ihre Kameraden in große Gefahr bringen konnten.

Das schöne Wetter an diesem 1. März, verleitete die Menschen wohl, die in diesen Kriegstagen ständig mit Luftalarm konfrontiert waren, dazu, die Warnungen der Sirenen nicht mehr ernst zu nehmen. Viele Leonberger gingen einfach den täglichen Geschäften nach – die ersten Arbeiten in den Gärten standen an. Und so haben nur die Vorsichtigen, die in den Luftschutzbunkern in der Goethestraße geblieben waren, den Angriff unbeschadet überlebt.

Die Opfer der Fliegerangriffe

Opfer des Luftangriffs
Karl Frick (79 Jahre alt), seine Ehefrau Friedericke (79) und ihre drei Enkelkinder Ruth (16), Johanna (12) und Rosemarie Pflugfelder (9), ferner Martin Zerweck (6), Margarete Besserer (40), Ludwig Keppner (16), Jakob Bender (73), Emma Knaisch (35), Paul Schmalzriedt (54), Gertrud Joss (45), Lina Längerer (45), Christian Krieg (76), Marie Beckert (82), Hermine Fischer (64), Maria Beutelspacher (66), Emma Eckart (57) sowie Hilde Ruff (17).

Fliegerangriffe
Am 29. Juli 1944 fielen Brandbomben auf die Eltinger Michaelskirche. Das Feuer konnte rasch gelöscht werden. Die ersten Todesopfer in Eltingen waren Ende Juli ein Mann und seine Tochter, die bei einem Fliegerangriff im Silberberg starben. Drei Tage nach dem Angriff auf Leonberg starb am 4. März 1945 in Eltingen eine Frau nach einem Luftangriff. Am 29. März wurde ein Landwirt bei Feldarbeiten samt seinen Ochsen von einem Tiefflieger erschossen. Bei einem Angriff am 8. April starben eine Frau und zwei Kleinkinder.

 

 


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