Das Engagement schöpft er aus seiner eigenen Geschichte

von Sybille Schurr
Eberhard Röhm feiert heute 80. Geburtstag - Der Pfarrer a. D. arbeitete auf weiten Feldern und ist doch in Leonberg verwurzelt
Leonberger Kreiszeitung, 11. September 2008

Leonberg. Eberhard Röhm feiert heute seinen 80. Geburtstag. Der Initiator der KZ-Gedenkstätteninitiative ist überregional bekannt als theologischer Fachbuchautor, als Erneurer der Religionspädagogik - und unablässiger Mahner zur Versöhnung zwischen Juden und Christen.

Im Studierzimmer Röhms, unter dem Dach des Reihenhauses türmen sich die Bücher - an den Wänden auf den Tischen, auf dem Fußboden. Das vermeintliche Chaos hat seine innere Ordnung. Jedes Buch, das im Gespräch eine Rolle spielt, hat er schnell parat.

Bücher, die für ihn nicht nur zu Weggefährten geworden sind, sondern auch prägend wurden für das Leben und die Weltsicht des Pfarrers a. D. und Dr. h.c. Eberhard Röhm. Sein Blick geht zurück auf den vergangenen runden Geburtstag.

Der Siebzigste hat für Eberhard Röhm eine ganz besondere Bedeutung: An diesem Tag vor zehn Jahren wurde der neue Engelberg Basistunnel eröffnet. Am alten Engelbergtunnel kehrte Totenstille ein. "Die Schließung des Tunnels war eigentlich der Beginn der Gedenkstätteninitiative", sagt Röhm. Es sollte eine Stätte entstehen, wuchtig wie ein Stein, um den man nicht herum kommt.

Es war ein kleiner Stein, der den großen schließlich in Bewegung gesetzt hat: Eberhard Röhm verfasste die Inschrift für den Gedenkstein vor dem Leonberger Samariterstift, auf dessen Gelände sich das KZ befunden hat. In einem Referat regte Röhm an, die Chance zu nutzen für die Einrichtung einer Gedenkstätte. Zehn Jahre lang haben sich Röhm und seine engagierten Mitstreiter für dieses Ziel eingesetzt. "Wir haben das Ziel erreicht, aus eigener Kraft", sagt Röhm. "Aber es hat auch viel Kraft gekostet".

Als 2003 eine Geschichtswerkstatt die Historie des Leonberger Lagers aufgearbeitet hatte, "standen da plötzlich die Menschen". In ungeheuerer Detailarbeit wurden die Namen hinter den zu Nummern degradierten Häftlingen erforscht.
3000 Namen trägt die Eisentafel vor der Gedenkstätte am Engelbergtunnel. Es entstanden Kontakte zu Überlebenden des KZ-Lagers. "Wir haben damit auch ein neues Kapitel von Lokalgeschichte geschrieben", stellt Röhm heute fest. Auch wenn ein großes Ziel erreicht ist, eine Sorge treibt Eberhard Röhm um: "Wir müssen jüngere Leute, vor allem Lehrer gewinnen, die bereit sind, die Aufgabe der Führungen zu übernehmen."

Eberhard Röhm schöpft sein Engagement aus seiner eigenen Biografie: "Ich gehörte zu den Verführten". Seinen Lehrern in Korntal habe er es zu verdanken, dass ihm nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes eine neue Welt eröffnet wurde, die ihn auch zum Theologiestudium motiviert hat. Geboren ist Röhm in Stuttgart, aufgewachsen im Kreis von sechs Geschwistern. In Korntal hat er 1948 sein Abitur gemacht, in Tübingen und Göttingen Theologie studiert. Gleich nach dem Examen hat er seine Kommilitonin Dorothee Schwarz geheiratet. "Die Ehe bedeutete für meine Frau, dass sie ihren Beruf nicht ausüben konnte." Stattdessen wurde Dorothee Röhm Familienfrau - von vier Kindern.

Die berufliche Karriere begann für Röhm als Vikar in Ebersbach/Fils, es ging weiter nach Ditzingen. 1960 kam er als Religionslehrer an das Leonberger Albert-Schweitzer-Gymnasium, wo er bis 1972 tätig war. "In dieser Zeit bin ich hängen geblieben in Leonberg." 1972 wurde Röhm an das pädagogisch-theologische Zentrum der Württembergischen Landeskirche berufen. Dort war er für die Fortbildung der Pädagogen sowie für die Lehrplanentwicklung zuständig. In dieser Zeit entstanden auch Schulbücher, gab er Fachzeitschriften heraus.

Zu einem Standardwerk ist ein Ausstellungskatalog geworden: 1980/81 erarbeitete Röhm gemeinsam mit Jörg Thierfelder die Geschichte der "Evangelische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz", die im Reichstag Berlin gezeigt wurde. Gemeinsam mit dem Theologieprofessor verfasste Röhm das mehrere Bände umfassende Werk "Juden - Christen - Deutsche", das kritisch beleuchtet, wie die evangelische Kirche im NS-Regime mit den Juden in den eigenen Reihen umging. 2003 erhielt Röhm die Ehrendoktorwürde der Universität Köln.

Die Beschäftigung mit der Lokalgeschichte hat die Wurzeln stark werden lassen. Von 1996 bis 1999 war er für die Grünen im Leonberger Gemeinderat. Seit 1999 ist er Vorsitzender der KZ-Gedenkstätteninitiative. "Ich habe das Glück, dass ich einen großen Kreis von Menschen um mich habe, die ich seit vielen Jahrzehnten kenne." Und deshalb freut er sich über jeden einzelnen jungen Menschen, der ihn besucht in seiner Studierstube zwischen den vielen Büchern. Selten sind diese Besuche nicht.


zurück