Das Grauen lässt die Opfer nie wieder los - Moshe Neufeld bannt den Holocaust in Bilder
von Arnold Einholz
Leonberger Kreiszeitung, Samstag, 3. August 2002
Sein Leben ist geprägt von grauenhaften Erlebnissen und schmerzlichen Verlusten, die der ehemalige Insasse des KZ Leonberg, Moshe Neufeld, über seine Bilder zu bewältigen versucht. Im kommenden Jahr werden sie in Leonberg gezeigt.
Bei der ersten Einladung konnte er sich nicht dazu durchringen, die einstigen Stätten seines Leidens zu besuchen. Nun wird Moshe Neufeld aus Israel im Frühjahr 2003 doch nach Leonberg kommen - auf Einladung der Gedenkstätteninitiative und der Stadt Leonberg.
Mit im Gepäck haben wird der ehemalige Insasse des KZ Leonberg Moshe Neufeld seine Holocaust-Bilder, die eine eindrucksvolle Auseinandersetzung sind mit dem grauenhaft Erlebten in den Todeslagern und auf den Todesmärschen und -fahrten durch halb Europa. Ein zentrales Thema ist dabei der Verlust des kleineren Bruders, der mit ihm nach Auschwitz kam und dort ermordet wurde. Die beiden Brüder haben zwei aufeinander folgende Häftlingsnummern.
Moshe Neufeld ist im Juli 1926 in SatuMare, einer Stadt im Westen Transsylvaniens in Rumänien, die zur Zeit seiner Verhaftung Ungarn zugeschlagen war, als Jude geboren. Er lebt heute im Kibbuz Barkai im Norden Israels (zwischen Tel Aviv und Haifa gelegen). Nach seiner Befreiung ist er im Dezember 1946 auf illegalem Weg über Zypern nach dem damaligen Palästina gelangt und hat als Pionier den sozialistisch orientierten Kibbuz mit aufgebaut, wo er heute noch mit den Familien seiner beiden Söhne wohnt.
Die Mitglieder der Gedenkstätteninitiative sind auf Moshe Neufeld zum ersten Mal im Juli 2000 gestoßen, als die Mitglieder der Geschichtswerkstatt Material für das Buch "Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg'' zusammentrugen, erinnert sich Eberhard Röhm, Vorsitzender der Leonberger Gedenkstätteninitiative. Aus der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel erhielten die Verfasser des Buches den Lebensbericht von Moshe Neufeld vom Juli 1996 in hebräischer Sprache. Kurz bevor die seit dem 23. August 1944 inzwischen auf Seiten der Roten Armee kämpfenden rumänischen Truppen in die zwangsweise an Ungarn abgetretenen Gebiete einmarschierten, wurde Moshe Neufeld nach Auschwitz deportiert. Nach der Auflösung des Vernichtungslagers Auschwitz machte er den Todesmarsch und die -fahrt über Groß-Rosen, Flossenbürg nach Leonberg mit und nach der Auflösung des Lagers von Leonberg den zweiten Todesmarsch in Richtung Bayern, der in Feldafing mit der Befreiung durch die Amerikaner endete.
Im Herbst letzten Jahres war Moshe Neufeld noch nicht bereit, bei der Präsentation des Buches der Einladung der Stadt Leonberg zu folgen, sondern er schickte seine beiden Söhne. Durch einen Besuch des Leonberger Zeev Goldreich - er hat den Lebensbericht von Neufeld aus dem Hebräischen übersetzt - und seiner Frau Ruth Tewes bei Moshe Neufeld, sei man auf seine Bilder aufmerksam geworden, so Vorsitzender Eberhard Röhm. "Wir waren sofort überzeugt, welche Bedeutung diese Bilder als Spiegel der Verarbeitung des HolocaustÜberlebens haben.''
Kürzlich war der von der Gedenkstätteninitiative beauftragte Kameramann und Filmemacher Vaclav Reischl in Israel und hat einen ganzen Tag Moshe Neufeld in seinem Kibbuz gefilmt. Dies ist Teil eines Films über die Überlebenden des KZ Leonberg und die Reaktion der Leonberger Bevölkerung. Die Rohaufnahmen hierfür sind abgeschlossen, und die Gedenkstätteninitiative hofft, diesen Film - vielleicht werden es auch mehrere - im Zusammenhang mit der Ausstellung zeigen zu können. Erst die Begegnung mit dem Filmemacher aus Deutschland hat das Eis vollends gebrochen und bei Moshe Neufeld den Entschluss reifen lassen, nach Leonberg zu kommen.