Demokratische Gelassenheit - Leonberger Blickwinkel

von Michael Schmidt
Zwietracht OB Schuler will keine Gewalt und keine Extremisten in seiner Stadt. Leider zieht er die falsche Konsequenz aus einer richtigen Analyse.
Leonberger Kreiszeitung vom 21.01.2012

Kein Naziaufmarsch in Leonberg, keine linksautonome Demo, kein Missbrauch des Holocaust-Gedenktages durch gewalttätige Chaoten in der einstigen KZ-Stadt - der Leonberger Oberbürgermeister Schuler hat in allen Punkten recht. Er hat recht, dass er alles daran setzen muss, Gewalt in Leonberg zu verhindern. Und: in der Leonberger Stadtgesellschaft knarzt es schon genug, man denke nur an das Bürgerbegehren wegen der Hallenbadsanierung. Noch mehr Unruhe?

Schuler hat recht, doch er zieht mit seiner Verwaltung die völlig falschen Konsequenzen daraus. Und er nutzt als Jurist auch nicht alle Spielregeln, um in seiner Stadt eine Konfrontation zu verhindern.
Um was geht es denn, am kommenden Freitag? Jahrelang hat die KZ-Gedenkstätten-Initiative in trauter Eintracht mit der Stadtverwaltung dem Anlass würdige und inhaltsstarke Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung veranstaltet.

Weil der Blick zurück wenig nützt, wenn man daraus keine Lehren fürs Heute zieht, ist es nachvollziehbar, dass die KZ-Gedenkstätteninitiative gerade jetzt auf den investigativ arbeitenden Journalisten Robert Andreasch setzt. Seit seinem letzten, von Randalen begleiteten Auftritt in Leonberg ist das rechtsextreme Terrornetzwerk in Thüringen aufgedeckt worden und deutsche Verfassungsschützer sind in Erklärungsnöten, wie sie dem Morden so lange zuschauen konnten. Dass nun ausgerechnet jene Hüter unserer Grundordnung zugleich den umstrittenen Referenten im Visier haben, wundert kaum und schadet dessen Reputation eher nicht.

Bei aller Aufgeregtheit und Furcht vor Randalen: es muss möglich sein, dass ein - vielleicht auch polemischer - Autor seine Meinungsfreiheit ausüben darf. Zumal dieser darüber berichtet, worüber Verfassungsschützer im Detail schweigen: die intimen und tiefen Zusammenhänge in der Neonaziszene. Die besitzt zwischen Bondorf und Weissach offensichtlich so viele Anhänger, dass es einer der Ihren in den Kreistag geschafft hat, als zweiter im Südwesten.

Das Einknicken vor der bloßen Ankündigung einer rechten Gegendemo bringt vor allem diese Extremisten weiter. Zumal jetzt gar nichts gewonnen ist: Die Veranstaltung findet statt, in kirchlichen Räumen. Die Polizei ist so oder so alarmiert und postiert sich statt am Museum eben an einem Gemeindehaus. Das braucht sie nicht, sagt die KZ-Gedenkstätteninitiative. Denn Andreasch sei kein Sicherheitsrisiko. Das Vorstandsmitglied, der Richter a. D. Klaus Beer, gibt dem OB noch einen Rat: Weil der Holocaustgedenktag besonders schützenswert ist, kann eine Stadt am 27. Januar eine Demonstration von Rechtsradikalen verbieten, so ein höchstrichterliches Urteil aus Karlsruhe. Es drängt sich der Eindruck auf: die Stadt könnte, wenn sie denn wollte.

Denn der Konflikt offenbart noch anderes: Einmal mehr ist es den Verantwortlichen im Rathaus nicht gelungen, eine gemeinsame Linie mit ehrenamtlich Tätigen zu finden. Jetzt herrscht Streit um eine Sache, in der eigentlich alle dasselbe wollen.

Natürlich ist die Frage nach der Zukunft von Bädern und Sportstätten eine andere. Aber wer ehrenamtlich tätigen Gemeinderäten "Halbwissen" vorwirft, schürt Zwietracht. Wer immer wieder herbeiredet, dass die Abstimmung über ein Hallenbad die Bürgerschaft spalte, darf sich nicht wundern, wenn es dann tatsächlich geschieht. Souveräne Gelassenheit sieht anders aus. Sie steht Demokraten gut zu Gesicht.


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