Der Killesberg unterm Hakenkreuz

„Der Killesberg hat seine hellen und seine dunklen Seiten“ sagt Josef Klegraf von der Geschichtswerkstatt Stuttgart-Nord. Wie das? Unser aller schöner Höhenpark mit dem Tal der Rosen, der Dahlienschau und der Kleinbahn mit „Tazzelwurm“ und „Springerle“ – was soll da dunkel sein? Na gut, zur Reichsgartenschau 1939 wurde der Park von den Nazis gebaut, aber die Natur spricht doch für sich, oder?

Wer mehr wissen will: die Bibliothek der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e. V. lädt ein zur Buchpräsentation „Der Killesberg unterm Hakenkreuz“. So heißt das Buch, das die Geschichtswerkstatt Stuttgart-Nord geschrieben hat. Josef Klegraf, Co-Autor, bis 2003 Bezirksvorsteher im Norden und Akademischer Oberrat i. R. für Anglistik an der Uni Stuttgart, berichtet auch über die dunklen Seiten von Stuttgarts schönstem Park.
Sie werden über die Planung ab 1933 erfahren, über die Eingemeindung von Feuerbach als Voraussetzung für die Nutzung des alten Steinbruchs als Stuttgarter Parkgelände. Sie werden hören, wie die Nationalsozialisten ihre „Blut und Boden-Ideologie“ in das Konzept der Reichsgartenschau einklinkten: Einheit von Rasse und Siedlungsgebiet. Sie werden sehen, dass die Eröffnung am 22. April 1939 in der düster-bombastischen „Ehrenhalle des Reichsnährstandes“ stattfand und das Volk sich dann „Schellmanns Ländlicher Gaststätte“ zuwandte, wo bayrische Blaskapellen spielten, Bierkrüge aneinander schellten und die Stimmung ausgelassen war.
Josef Klegraf wird berichten, wie es nach dem Überfall auf Polen weiterging mit dem Killesberg: am 1. September wurde die Reichsgartenschau beendet, es wurden Gemüsebeete angelegt sowie Hühner- und Kaninchenställe gebaut. Und die „Ländliche Gaststätte“ wurde zum „Vorort des Todes“, drei große Judendeportationen nahmen in den Jahren 1941 und 1942 dort ihren Ausgang. Besonders wird er auf den 26. April 1942 eingehen, als Juden aus Stuttgart, Württemberg, Hohenzollern und Baden in der Sammelstelle „Ländliche Gaststätte“ auf ihren Koffern saßen und dann zum Nordbahnhof laufen mussten. Dort wartete der Sonderzug, in dem 346 deutsche Juden, Familien, Alte, Kinder, nach Izbica – nein, nicht Ibiza – deportiert wurden. Izbica war ein armseliges, fast rein jüdisches Dorf in der Nähe von Lublin, das die Nazis zum Ghetto erklärten und in dem alle, unwissend, was die Zukunft wohl bringen würde, letztlich für den Weitertransport in die Vernichtungslager untergebracht wurden.
Das Kapitel „Nachkriegszeit“ hat Josef Klegraf selbst geschrieben. Er wird Ihnen seine Erkenntnis vermitteln: „die Nazizeit des Killesbergs war 1945 nicht beendet“. Während seiner Recherchen für das Buch fand er in den Unterlagen zur „Deutschen Gartenschau 1950“ keinerlei Hinweise auf den Killesberg als Schauplatz des Holocaust. „Mit keinem Wort hat der damalige Oberbürgermeister Klett (SPD) die Verwicklungen der Stadt in die Judendeportationen erwähnt“. Außerdem wird Josef Klegraf über die nazi-organisatorischen und heutigen Erinnerungszusammenhänge von Killesberg, Nordbahnhof und Hotel Silber informieren.

Die Bibliothek öffnet am Sonntag, 3.April  2016 um 15 Uhr. Sie ist im 4. Stock des Samariterstifts (Aufzug vorhanden), Seestraße 74. Anschließend ist genügend Zeit für Gespräche mit Josef Klegraf, zum Schmökern in den Büchern und zur Buchausleihe.

Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. freut sich auf Ihren Besuch


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