Der „Weg der Erinnerung" beginnt jetzt am Bahnhof

Leonberg Neue Infotafeln der Gedenkstätteninitiative erinnern an die Ankunft der KZ-Häftlinge 1944/45. Von Hans Jörg Ernst      

Leonberger Kreiszeitung vom 16.11.15

Der Güterschuppen am Leonberger Bahnhof steht heute noch genauso da wie vor 71 Jahren. Damals, genauer gesagt am 10. April 1944, entriegelten dort am Bahnsteig Wachleute der SS die Türen der ankommenden Güter- und Viehwaggons. „Raus, raus", kommandierten sie. Ausgemergelte Häftlinge taumelten aus den Waggons. Dann trieben die Wachleute 398 Männer aus 14 Nationen Europas in Reihen die Bahnhofstraße hinauf und weiter die Seestraße entlang zum Konzentrationslager. Nach diesem ersten Transport wurden bis April 1945 auf diesem Weg etwa 5000 Männer nach Leonberg deportiert.

„Die Leute hier in Leonberg haben das im Grunde hautnah mitbekommen Auch mitten im Winter kamen Transporte an", berichtete der Historiker Eberhard Röhm. Er ist Gründungsmitglied der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg, die am Samstag gemeinsam mit dem Ersten Bürgermeister Ulrich Vonderheid zwei neue Informationstafeln einweihte. Darauf sind die Ereignisse von damals dargestellt. Sie erinnern an dieses schwarze Kapitel in der Geschichte der Stadt. Eine steht an der Bahnhofstraße und eine direkt an den Gleisen beim alten Schuppen.

Die Ereignisse von damals, an welche die Initiative mit den Tafeln erinnere, seien nach wie vor aktuell, betonte Ulrich Vonderheid bei der Einweihung, die im Schatten der Anschläge von Paris stand, welche nur wenige Stunden zurücklagen. „Terror, Angst, Schrecken, Vertreibung und Unterdrückung sind allerorten präsent und aktuell wie vielleicht schon lange nicht mehr", sagte der Bürgermeister.

 

Nichts tun müssen, was man nicht will

Daher sei es wichtig, auch gerade junge Menschen daran zu erinnern, was das Wort Freiheit bedeute. Freiheit und Vertrauen seien die Grundlagen unseres friedlichen Zusammenlebens. „Freiheit heißt ja nicht, dass man alles tut, was man tun möchte", so Vonderheid. Sondern dass man das nicht tun muss, was man nicht tun möchte. „Und genau das ist in den letzten Kriegsjahren hier in Leonberg geschehen, dass Menschen unter unsäglichen Bedingungen das tun mussten, was sie nicht tun wollten, anstatt in ihren Ländern zu sein bei ihren Familien", sagte er und lobte die wertvolle Arbeit der Gedenkstätteninitiative.

Die beiden nahezu identischen dreisprachigen Tafeln schreiben den „Weg der Erinnerung" fort. Der Weg ist fast genau 14 Jahre alt. Im Oktober 2001 hat ihn die KZ-Gedenkstätteninitiative eingerichtet Er begann bislang am alten Leonberger Friedhof beim Seedammcenter und über die Seestraße hinauf zur KZ-Dokumentationsstätte in der Röhre des Engelbergtunnels. Auf sechs Tafeln über die Geschichte des KZ Leonberg informiert. In Leonberg gab es vom Frühjahr 1944 bis zum April 1945 ein Konzentrationslager. Das von der SS geführte KZ wurde für die Firma Messerschmitt errichtet. Im Engelbergtunnel produzierten Häftlinge die Tragflächen des Düsenjägers Me 262. Der Tod von 389 Häftlingen in Leonberg ist nachgewiesen.

„Der Weg für die Häftlinge hat hier am Bahnhof begonnen", sagte die Vorsitzende der Initiative, Marei Drassdo. Mit den beiden Tafeln beginne jetzt auch der „Weg der Erinnerung" am Bahnhof. Die Tafeln informieren mit Text und Bildern. Zu sehen ist der Güterschuppen an den Gleisen, eine Häftlingsjacke und auch ein Düsenjäger des Typs Me 262.

 

Der Weg wird noch weitergeführt

Zudem zeigen die Tafeln auf einem Stadtplan, wo und wie der Weg der Erinnerung durch Leonberg verläuft und wo Informationstafeln aufgestellt sind. Eben am Bahnhof, am Samariterstift (Lager 2), bei der Blosenberg- Kirche (Lager 1), an der Namenswand (Tunnel-Fabrik) und bei den früheren KZ-Sammelgräbern. Unterstützt wurde die Initiative bei ihrem Projekt von der Bahn und vom Kulturamt der Stadt. Der Weg soll noch an anderen Orten der Stadt, an denen Häftlinge untergebracht waren, weiter fortgeschrieben werden.

 


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