Die KZ-Gedenkstätte nimmt Form an
von Michael Schmidt
Leonberger Kreiszeitung, 8. November 2002
LEONBERG - Die "KZ-Gedenkstätteninitiative'' will dem Gelände vor dem alten Engelbergtunnel neue Gestalt geben. Im Tunneleingang und vor dem Portal sollen eindrücklich Erinnerungen an die ehemalige KZ-Fabrik errichtet werden.
Eine Arbeitsgruppe der Gedenkstätteninitiative hat ganze Arbeit geleistet. So sehr, dass Oberbürgermeister Bernhard Schuler sehr beeindruckt war von dem Engagement, eines der dunkelsten Kapitel der Leonberger Stadtgeschichte dauerhaft für die Nachwelt aufzuarbeiten. Direkt an der ehemaligen Rüstungswerkstatt soll eine große Gedenkstätte entstehen.
Ein Mahnmal in Form eines stilisierten Wachturms, ein Wand-Rondell mit den bislang bekannten Namen der Opfer sowie im Tunneleingang eine "Ebene der Erinnerung'' - in einer robusten Stahlkonstruktion sollen Infotafeln und einzelne Exponate an die Tragflügelproduktion im Inneren des ältesten Autobahntunnels in Deutschland erinnern.
Dabei folgt die Leonberger Gruppe einem internationalen Trend in der Gedenkstätten-Arbeit: "In zehn, 15 Jahren sind Täter und Opfer tot. Die Zeitzeugen können kein lebendiges Zeugnis mehr abgeben'', sagt Eberhard Röhm, Vorsitzender der Gedenkstätteninitiative, bei der öffentlichen Vorstellung des Projektes.
"Deswegen ist die Erhaltung der authentischen Stücke und Stätten umso wichtiger.'' Neben der emotionalen Erinnerung rücke die rationale Dokumentation in den Vordergrund. Lange diskutierte die KZ-Gedenkstätteninitiative in den vergangenen Monaten über die jetzt vorgestellten Pläne. Keinesfalls herrschte stets Konsens. Schon der Entwurf einer Skulptur des Bildhauers Johannes Kares löste Kontroversen aus.
Eine sieben Meter hohe Stahlkonstruktion soll an einen Wachturm mahnen. Ein anderes Grundproblem war für die Initiative eher physikalischer Art: Weil die alten Röhren zugeschüttet wurden, fehlt die natürliche Belüftung. Feuchtigkeit und eine überdurchschnittliche Konzentration von Schimmelsporen beeinträchtigen den Aufenthalt im Tunnel. Wegen des enormen Aufwands, eine Belüftung und Fluchtwege herzustellen, sind offensichtlich auch Bosch und DaimlerChrysler wieder von ihren Plänen abgerückt, den Tunnel für Lichtexperimente zu nutzen.
Die KZ-Gedenkstätteninitiative kann jedoch die geplanten "Ebenen der Erinnerung'' unmittelbar am Tunneleingang installieren. Verbunden mit einer offenen Gitterkonstruktion am Tunneleingang wäre so eine ausreichende Luftzirkulation gesichert. Und in einer Tiefe von 40 Metern könnte eine Mauer das Bauwerk absperren.
Die Doppelstock-Konstruktion selbst soll auf 15 Meter Länge den Tunnelquerschnitt halbieren. Auch die Nationalsozialisten ließen für die Rüstungsfabrik im Tunnel eine Zwischendecke einziehen. Informationstafeln sollen die Besucher informieren, einzelne Exponate aus dem KZ-Alltag sollen das Grauen begreiflich und anschaubar machen. Größter Wunsch wäre eine alte Tragfläche, wie sie für den ersten Messerschmitt-Düsenjäger dort hergestellt wurde. Solche historischen Militärstücke seien jedoch kaum zu bekommen.
Außerhalb des Tunnels, wo früher die Fahrbahnen der Autobahn verliefen, soll ein "Opfernamensband'' entstehen.
Auf kreisrunde Metallwände sollen kleine Aluminiumplatten mit den bekannten Namen der ehemaligen Häftlinge genietet werden. "Das ist wichtig, weil die rund 2700 Namen, die wir derzeit herausgefunden haben, keinesfalls vollständig sind'', sagt Röhm.
Eine Frist stellte die KZ-Gedenkstätteninitiative bei dem auf rund 150 000 Euro geschätzten Vorhaben: Bis zum April 2005 soll das Projekt abgeschlossen sein - dann jährt sich die Befreiung des KZ zum 60. Mal.
Derzeit hat die Stadtverwaltung Landschaftsarchitekten mit der Überplanung des Gebietes beauftragt. "Ihnen werden die Vorschläge der KZ-Gedenkstätteninitiative vorgestellt'', verspricht Oberbürgermeister Schuler. Die Initiative selbst will auch das Lokale-Agenda-Projekt "Allee des Gedenkens'' miteinbeziehen - hier planen Bürger das Gedenkkreuz auf dem Blosenberg mit dem frei gewordenen Gelände der alten Autobahntrasse zu verbinden. Eine öffentliche Bewertung der Vorschläge will der Oberbürgermeister auf Anfrage jedoch nicht abgeben: "Politisch zu entscheiden hat jetzt der Gemeinderat über die Ideen der Bürger.''
Schritte hin zum Gedenken
Die Geschichte der Rüstungsproduktion und der Internierung von KZ-Häftlingen in Leonberg arbeiten seit Mitte der neunziger Jahre verschiedene Bürger der Stadt auf. 1999 übernahm Eberhard Röhm schließlich mit Renate Stäbler offiziell den Vorsitz der "KZ-Gedenkstätteninitiative''. In kleinen Schritten näherte man sich der Leonberger KZ-Vergangenheit an. Die Namen und der Verbleib der ehemaligen Häftlinge wurden recherchiert. Es folgten erste Einladungen an die ehemaligen Häftlinge, Leonberg zu besuchen. Auch wurden nach und nach Zeitzeugen befragt und das Wissen um das KZ-Außenlager Leonberg zu einer respektablen Dokumentation in Buchform zusammengetragen.
Vor mehr als einem Jahr wurde ein "Weg der Erinnerung'' eröffnet. An mehreren Schautafeln vorbei führt der Weg vom alten Leonberger Friedhof über das ehemalige Lagergelände in der Seestraße hinauf zum alten Engelbergtunnel. Mit der Stilllegung des Autobahnverkehrs in dem historischen Straßentunnel taten sich für die KZ-Gedenkstätteninitiative neue Chancen auf. In den beiden knapp 300 Meter langen Röhren war ein Herzstück der Produktion für den ersten Düsenjäger der Welt versteckt. Mehrere tausend Menschen mussten hier mit dem Ziel "Vernichtung durch Arbeit'' in pausenloser Schichtarbeit Tragflächen für die Firma Messerschmitt nieten. Derzeit schätzt die KZ-Initiative die Zahl der in Leonberg eingesetzten Häftlinge und Fremdarbeiter auf rund 6000.
Der Tod von 389 Häftlingen ist nachgewiesen. Wenige Tage vor der Befreiung durch die französischen Truppen wurden 2700 verbliebene Häftlinge auf einen Todesmarsch nach Bayern geschickt, bei dem noch mal eine ungewisse Zahl Menschen starb. An sie und alle unbekannten Toten des KZ erinnert ein Kreuz am Blosenberg, am Tunnelportal mahnt eine Tafel an die hier im Zweiten Weltkrieg geschehenen Verbrechen.