Dieses Denkmal sagt die Wahrheit

von Michael Schmidt
Leonberger Kreiszeitung, 22. Januar 2005

LEONBERG - Mitten im Leonberger Stadtwald, unweit des Waldfriedhofes, liegt das Mahnmal für einen Deserteur, der sich am 12. Februar 1945 das Leben nahm. Die KZ-Gedenkstätteninitiative wies bei ihrer Mitgliederversammlung auf das Schicksal des jungen Leonbergers Kurt Braun hin.

Bauunternehmer Kurt Braun war es, der in den siebziger Jahren buchstäblich über einen kleinen unscheinbaren Gedenkstein im Gewann Studentenbäumle stolperte. Otto Braun, Besitzer eines Ausflugscafés am Gerlinger Bopser, hatte nach dem Krieg im Gedenken an seine beiden umgekommenen Söhne den Stein errichtet. Während der Jüngere im Oktober 1944 an der Ostfront starb, erschoss sich der Ältere, der Soldat Kurt Braun, am 12. Februar 1945 unweit seines Elternhauses - er wollte nicht mehr in den sinnlosen Krieg zurück.

Die Leonberger Kreiszeitung hatte vor gut zweit Jahren erstmals über jenen Stein und den Entdecker dieses Dramas in den letzten Kriegstagen berichtet. Nun stellte Klaus Beer der KZ-Gedenkstätteninitiative nochmals dieses ungewöhnliche Mahnmal vor: "Es gibt viele Denkmäler für tote Soldaten, die sprachlos sind. Aber dieser kleine Stein, der nur einen Soldaten betrifft, sagt die Wahrheit." Beer wies auf die heute kaum noch lesbare Inschrift hin, die Vater Braun hatte einmeißeln lassen: "Wegen Hitler und seinen Kriegsverbrechern starb hier unser letzter Sohn Kurt Braun." Für Beer stellt gerade diese Inschrift "musterhaft den Zusammenhang zwischen einem verbrecherischen System und den Opfern" her.

Der Eltinger Unternehmer Kurt Braun berichtete von seiner eigenen Betroffenheit, als er seinen Namen auf solch einem Gedenkstein und noch dazu - ein Zufall - denselben Geburtstag darauf entdeckt hatte. Einige Zeit später traf Braun ebenso zufällig den Vater, der diesen Stein hatte aufstellen lassen.

Der berichtete ihm über die Umstände des Todes von Kurt Braun.
Neues Licht auf den verborgenen Tod brachte auch ein Freund der Familie, der mit Kurt Braun Kontakt aufnahm, nachdem er davon in der Leonberger Kreiszeitung gelesen hatte. "Der junge Mann hatte sich offensichtlich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Sein Vater war Flieger im Ersten Weltkrieg, und deswegen wollte der Sohn dann auch zur Luftwaffe. Er war nicht abzuhalten", erzählte Braun aus dieser Begegnung. "Doch er landete bei der Infanterie.

"Beer hob den zeitlichen Zusammenhang des Selbstmordes hervor: "Im Februar 1945 überquerte die Rote Armee die Oder und bereitete den Sturm auf Berlin vor. In Brandenburg starben noch hunderttausende in diesen letzten Kriegsmonaten." Doch auch als Deserteur hätte Kurt Braun mit dem Todesurteil rechnen müssen - Selbstmord als "Akt der Verzweiflung".

Beer verwies auch darauf, dass lange Zeit nach dem Krieg Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern der Ruch des "Feiglings" anhaftete. "Deserteure waren nach dem Krieg so rechtlos wie im Krieg. Hinterbliebene bekamen keine Zahlungen nach dem Bundesversorgungsgesetz."

Mehrheitlich sprachen sich die Mitglieder der KZ-Gedenkstätteninitiative dafür aus, dass dieser Stein unbedingt erhalten bleiben müsse - und es vor allem eine "Denkaufgabe für die Stadt sei", wie mit dem unbekannten Stein umgegangen würde.

Dr. Hartmut Fritz regte eine Gedenktafel an - "wir brauchen keinen Lehrpfad, denn auf dem Stein steht ein Text, der sich selbst erklärt". Eine Restaurierung des Steines wurde auch von Gudrun Sach verworfen: Dass der Stein so verborgen im Wald liegt, gehöre zur Geschichte dazu - es sei bezeichnend, wie die Deutschen nach dem Krieg mit dem Thema umgingen. "Es gehört Archäologie dazu, diesen Stein und diese Geschichte zu entdecken. Zugleich zeigt er: Es gab Alternativen zum Mitmarschieren."

Zum 60. Todestag von Kurt Braun laden die Mitglieder der Initiative zum Gedenken ein: Treffpunkt am 12. Februar, um 14 Uhr, ist der Parkplatz zum Trimm-dich-Pfad (Abzweig an der Zufahrt zum Waldfriedhof).


Initiative für die KZ-Gedenkstätte

Der Vorstand der KZ-Gedenkstätteninitiative wurde bei der jüngsten Mitgliederversammlung entlastet und bestätigt. Die beiden Vorsitzenden Eberhard Röhm und Renate Stäbler sehen mit dem gesamten Verein spannenden Monaten entgegen - und blicken auf eine anstrengende Zeit zurück, wie Röhm in seinem Rechenschaftsbericht erläuterte.

Nach dem es der Initiative gelang, im vergangenen Jahr 50 000 Euro für eine "Namenswand" als Gedenkstätte zu sammeln, soll diese am 8. Mai feierlich eröffnet werden. Zum 60. Gedenktag an das Kriegsende und die Befreiung vom Nationalsozialismus werden ehemalige Häftlinge der KZ-Außenstelle Leonberg, an der Eröffnung teilnehmen.

Auf dem Mahnmal sollen alle Namen der KZ-Häftlinge stehen. Im Messerschmitt-Werk in den ehemaligen Tunnelröhren mussten sich etliche zu Tode schuften. Unmittelbar am alten Engelbergtunnel sollen die Namenstafeln aufgebaut werden. Den Vorschlag der Initiative, einen stilisierten KZ-Wachturm aufstellen hatte der Gemeinderat abgelehnt.

Der KZ-Gedenkstätteninitiative gelang es, von verschiedenen Rechtsnachfolgern deutscher Rüstungsbetriebe Großspenden zu erhalten. So kamen allein rund 30 000 Euro zusammen. Außerdem wurden mehr als 12 500 Euro Einzelspenden gegeben, der Rest wird aus EU-Geldern finanziert.


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