Dunkle Geschichte in Geschichten - Buch erinnert an KZ-Häftlinge

von Sybille Schurr
Leonberg. Aus vielen Ländern Europas kamen die mehr als 3000 Häftlinge.
Leonberger Kreiszeitung, 28. März 2009

Im KZ Leonberg waren sie Nummern, zum Tode durch Arbeit verurteilt. Die Überlebenden sind zu Mahnern geworden. Die KZ-Gedenkstätten-Initiative gibt ihnen ein Gesicht und eine Stimme.

„Aus vielen Ländern Europas - Häftlinge des Konzentrationslagers Leonberg“ ist auch der Titel des Buches, in dem die Autoren Klaus Beer, Irmtraud Klein, Holger Korsten, Volger Kucher, Monica Mather, Eberhard Röhm und Renate Stäbler Lebens- und Schicksalswege der einst Namenlosen aufgezeichnet haben.

Nun haben sie den Band, der von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg unterstützt wurde, in der Stadtbücherei vorgestellt. Akribische und detektivische Kleinarbeit steckt in jedem einzelnen Kapitel. Oft half der Zufall weiter, um die Person ausfindig zu machen, die hinter einem fremd klingenden Namen steht. So wie bei Kamil Pixa, dessen Schicksal Monica Mather und Renate Stäbler nachgegangen sind. "Kamil Pixa aus Häftlingslager Dachau 3 K, Block 12/3, geb. 1.III.1923, Nr. 45 008, Leonberg", lautet die Adresse auf einer Postkarte, deren Fotokopie ein Sammler den beiden Autorinnen überlassen hatte.

Die Karte kam aus Prag, die Absenderin bat Kamil Pixa um ein Lebenszeichen. Über ein Jahr lang haben Mather und Stäbler nach Kamil Pixa gesucht und ihn schließlich auch ausfindig gemacht. Fast zehn Monate war er im KZ Leonberg. Am 8. Mai 2005 kam er zur Einweihung der Namenswand an der KZ-Gedenkstätte.

Nicht weniger zufällig, die Bekanntschaft mit Eric Spicer, der heute in Australien lebt. Eberhard Röhm hat den bewegten Lebenslauf des ungarischen Juden aufgeschrieben.


Zwischen den Überlebenden, deren Familien und den Mitgliedern der KZ-Initiative entwickelten sich über die Jahre hinweg freundschaftliche Kontakte, auch das ist aus diesem Buch herauszulesen. So hat Holger Korsten den Norweger Kare Kverneland und dessen Sohn Dag nach dem Besuch im Engelbergtunnel im Jahr 2000 auch in das ehemalige KZ Natzweiler begleitet. Die Konfrontation mit dem einst Grauenvollen, eine seelische Befreiung.

"Es war eine sonderbare Auflebung, diese Hölle wieder zu sehen. Denk doch mal, 56 Jahre nachher, wo ich so viel gelitten hatte, konnte ich wieder durch die Tore ganz freiwillig ein- und ausgehen - ohne Wachen mit dem Totenkopf an der Mütze", schrieb der Norweger an Korsten. "Die ganzen SS-Leute mit ihren Hunden da, die sind tot, aber ich lebe, ich habe gewonnen." Der Mantel des Schweigens fiel nach dem Krieg über das Unfassbare.

Auch mehr als 50 Jahre nach dem Erlebten wollten viele der KZ-Häftlinge nicht über das Grauen sprechen. Oft stießen die Heimkehrer aus Deutschland auf Vorbehalte und Verdächtigungen, darüber berichteten slowenische Deportierte. Erst nach einem halben Jahrhundert haben die Zeitzeugen das Schweigen gebrochen, deshalb ist ein Dokument, auf das Eberhard Röhm gestoßen ist, von besonderem Interesse: 1945 hat Otto Robicsek, ein ungarischer Jude, in Bukarest seine Erlebnisse im Leonberger KZ zu Protokoll gegeben.

Nicht alle haben überlebt. 337 Opfer der Deportation sind in einem Massengrab auf dem Friedhof an der Seestraße bestattet, einer von ihnen Giovanni Cima. An ihn und alle anderen KZ-Opfer erinnert die Gedenktafel, die Bürger von Sesto San Giovanni 2005 auf dem Grab niedergelegt haben: „Wir, die Einwohner von Sesto San Giovanni und ihr, die Einwohner von Leonberg, sind uns einig: Erinnern heißt Wissen, Wissen heißt Freiheit. Lasst uns der Erinnerung eine Zukunft geben.

“Irmtraud Klein geht der Geschichte der italienischen Häftlinge nach. Individuelle Schicksale, ergänzt und vervollständigt durch viele Fotos und Dokumente, stehen zwar im Mittelpunkt des Buchs der KZ-Gedenkstätten-Initiative, doch darüber hinaus ist dieses Buch der Geschichten auch ein Buch der Geschichte. Ausführlich befassen sich die Autoren mit den historischen Hintergründen, die zu diesen Deportationen geführt haben.

Erhältlich ist das Werk über die KZ-Gedenkinitiative:
eberhard.roehm@t-online.de oder unter der Nummer 07152 / 2664 0 bzw. über Leonberger Buchhandlungen.


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