Ein Stein verbindet Trauer und Ursache

von Michael Schmidt
Leonberger Kreiszeitung, 14. Februar 2005

LEONBERG - Knapp 50 Leonberger Bürger gedachten dem 60. Todestag des Soldaten Kurt Braun. Erst vor wenigen Jahren war ein kleiner Gedenkstein an den Suizid entdeckt worden. Den Protest gegen "Hitler und seine Kriegsverbrecher" hatte der Vater von Kurt Braun in Stein meißeln lassen.

Der gleichnamige Bauunternehmer Kurt Braun hatte den Stein zufällig bei Arbeiten im Wald entdeckt - und wegen der Namensgleichheit erschrocken. Der Eltinger Unternehmer fand heraus, dass Braun als 21-Jähriger auf kurzem Heimaturlaub war, bevor er wieder an die zusammenbrechende Front zurück sollte. Er verweigerte den Marschbefehl und erschoss sich am 12. Februar 1945 im Wald, unweit seines Elternhauses. Vielen Leonbergern war das Café im Eugen-Hegele-Weg bis in die sechziger Jahre ein beliebtes Ausflugsziel. Dort hatte Bauunternehmer Kurt Braun den Vater getroffen, der jenen Gedenkstein an seine beiden jungen, im Krieg gefallenen Söhne aufstellen ließ.

Vor zwei Jahren hatte die Leonberger Kreiszeitung hierüber berichtet - nun haben Mitglieder der KZ-Gedenkstätteninitiative zum 60. Todestag des Deserteurs zu einem Gang an den Stein eingeladen. Eberhard Schmalzried und Klaus Beer erläuterten vor knapp 50 Teilnehmern die Geschichte des Steins - und der Hintergründe der Familie Braun. "In Leonberg sind 310 Gefallene und 211 Vermisste zu beklagen, für sie gibt es Mahnmäler, die stumm sind", sagte Klaus Beer. "Dieser kleine Stein schafft die Verbindung zwischen der Trauer der Angehörigen und dem verbrecherischen System, weswegen Millionen Soldaten und vor allem Unschuldige sterben mussten."

Der verwitterte Stein bewegt ebenso Zeitzeugen zu reden. Architekt Frowin Junker ergriff das Wort, schilderte, wie er die letzten Kriegswochen erlebte. Dass er im Februar dem Volkssturm in Leonberg zugeteilt war, Panzersperren in der Grabenstraße auszuheben. Dass sein Vater ihm riet, sich zum persönlichen Schutz einem offiziellen Truppenteil anzuschließen. "Uns zerriss es schier. Es war klar, dass alles vorüber war - keiner wusste, was nun richtig ist. Ich habe Hochachtung vor einem wie Kurt Braun, der da nicht mehr mitmachen wollte."


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