Ein Stück Menschenwürde zurückgeben
von Stefan Bolz
Leonberger Kreiszeitung, 2. Mai 2003
LEONBERG - Minutenlang betretenes Schweigen, dann, zögernd, vorsichtiger Beifall - die Premiere des Films über die Überlebenden des Leonberger KZ hat am Dienstagabend im Filmtheater in der Grabenstraße die Besucher tief beeindruckt.
Nur 36 Minuten ist die Dokumentation von Vaclav Reischl lang. Und doch fasst sie das dunkelste Kapitel der Leonberger Stadtgeschichte in so eindrucksvollen Bildern zusammen, dass sich auch das Premierenpublikum im voll besetzten Kino ihrer Wirkung nicht entziehen konnte.
Das anschließende Gespräch über den Film kam daher nur schleppend in Gang. Ob es denn damals auch Leonberger gegeben habe, die den Gefangenen geholfen hätten, lautete die erste Frage, die im Raum stand. Es habe Hilfe von Privatpersonen gegeben, aber eben nicht in organisierter Form, waren sich die Mitglieder der KZ-Gedenkstätteninitiative in ihren Antworten einig. "Ein Problem ist, dass wir für Leonberg keine konkreten Quellen haben", hob der Vorsitzende der Initiative, Eberhard Röhm, hervor.
In der Folge wurde deutlich, dass die Leonberger damals wohl nicht viel über das KZ und die dort festgehaltenen Zwangsarbeiter gewusst haben. "Wir hatten kaum einen Berührungspunkt, die Wachmänner haben alle Kontakte verhindert", merkte etwa Kirchengemeinderat Frowin Junker an. Eine Mischung aus Naivität und Angst habe ebenfalls dazu beigetragen, dass über die Menschen im Lager wenig bekannt wurde.
Vor diesem Hintergrund wurde Reischls Film in allen Redebeiträgen einhellig gelobt. Schließlich sorge er dafür, dass wenigstens die heutige Generation etwas über die Ereignisse im Winter 1944/1945 erfährt, bevor jene Menschen, die diese Geschichte erzählen können, für immer verstummen.
Aus dem Material, welches Reischl für den Film gesammelt hat, soll nun möglicherweise eine weitere Dokumentation entstehen. Denn Reischl hat auch deutsche Zeitzeugen interviewt, die bisher aber nicht zu Wort kommen. Volger Kucher von der KZ-Gedenkstätteninitiative begründete die Überlegung, im Film zunächst nur die Opfer sprechen zu lassen: "Wenn man auf der einen Seite Menschen sieht, die Auschwitz überlebt haben, und auf der anderen Seite jemand über ein paar fallen gelassene Äpfel spricht, so wirkt das doch relativ banal. Wir wollten aber niemanden vorführen." Vielmehr sei es darum gegangen, Menschen, die einst nur als Nummer in Leonberg waren, einen Namen, ein Gesicht und eine Geschichte zu geben - und ihnen damit auch ein Stück ihrer Würde zurückzugeben.