Friedrich Hartjenstein - Kommandant von Auschwitz und Natzweiler

Lesung mit Buchvorstellung "Heimkehr eines Auschwitz-Kommandanten" am Samstag, 18. September, 18 Uhr am Tunnel (bei schlechten Wetter im Tunnel)

»Onkel Fritz ist zurück aus Frankreich – im Zinksarg!« Mit dieser Szene aus dem Oktober 1954 beginnt die Biografie des deutschen SS-Offiziers und Kommandanten von Auschwitz und Natzweiler Friedrich »Fritz« Hartjenstein. Dreimal wurde der für seine Taten im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof/Elsass zum Tode verurteilt. Nach neun Jahren Haft wurde er kurz vor seinem Tod unter Mitwirkung höchster Kirchenvertreter und deutscher Diplomaten vom französischen Staatspräsidenten begnadigt.

In seiner Heimatstadt, dem niedersächsischen Peine, ist das Schicksal Hartjensteins bis heute nicht bekannt. Auschwitz kennt jeder Deutsche; vom Schinden und Morden in Arbeitslagern wie in Natzweiler-Struthof haben viele Deutsche ebenfalls gehört. Dass aber die Täter, die Organisatoren und Verwalter des millionenfachen Mordens, mitten aus der deutschen Bürgerschaft kamen, wurde im Nachkriegsdeutschland schnell verdrängt.

Nur sein Großneffe Werner H. versucht seit Jahrzehnten die Familiengeschichte und damit auch das dramatische Leben seines Großonkels und dessen Verstrickungen in die nationalsozialistischen Verbrechen zu erforschen. In einer mitreißenden Reportage rekonstruiert Jürgen Gückel den einzigartigen Lebensweg des KZ-Kommandanten Friedrich Hartjenstein. Zweimal haben ihn britische Besatzungsrichter, ebenfalls zweimal französische Militärgerichte in Rastatt und Metz wegen seiner Verantwortung für die Gräueltaten in den mehr als 50 Außenlagern des KZ Natzweiler - das KZ- Leonberg war eines davon - zur Verantwortung gezogen. Für seine zigtausendfachen Morde als Kommandant des Tötungslagers Auschwitz-Birkenau aber wurde er nie angeklagt. Fast zehn Jahre lang rang Hartjenstein in französischer Todeszelle um sein Leben.

Das Buch verdeutlicht nach vielschichtiger Recherche nicht nur das scheinbar sorglose Leben eines Massenmörders und seiner Familie im Schatten von Stacheldraht und Gaskammern. Es belegt auch, wie die deutsche Gesellschaft, wie Kirchenvertreter und Juristen, ja gar hochrangige Bundespolitiker in den frühen 50er-Jahren mithalfen, die noch immer in Frankreich inhaftierten NS-Verbrecher zu verharmlosen und sie zu unberechtigt festgehaltenen Kriegsgefangenen zu stilisieren.

Jürgen Gückel ist Journalist und Autor. Er war fast vier Jahrzehnte als Redakteur und Korrespondent für die Zeitungen der Madsack-Gruppe, darunter Peiner Allgemeine, Hannoversche Allgemeine Zeitung und Neue Presse, tätig und arbeitete zuletzt 23 Jahre lang als Polizei- und Gerichtsreporter des Göttinger Tageblattes. Für seine Arbeiten ist er vielfach ausgezeichnet worden. Er erhielt den Konrad-Adenauer-Lokaljournalisten-Preis für seine Serie über das Wirken der Justiz, den Regino-Preis für eine Serie über die Grundrechte. Er deckte den Transplantations-Skandal am Universitäts-Klinikum Göttingen auf und wurde dafür zusammen mit Kolleginnen der Süddeutschen Zeitung und der Taz mit dem Wächterpreis des Verbandes der Deutschen Zeitungsverleger geehrt. Viermal wurde ihm der Alexander-Journalistenpreis zugesprochen, unter anderem für eine Serie und ein Buch über das Grenzdurchgangslager Friedland. Und den August-Madsack-Preis erhielt er für seine Berichte in einem spektakulären Mordfall.Er lebt heute wieder in seiner alten Heimat am Rande jenes Dorfes, in dem ein NS-Massenmörder zum geachteten Dorfschullehrer werden konnte.

Eintritt frei. Spenden sind willkommen. Für den Einlass gilt die 3-G-Regel


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