Gedenken an die Opfer der Euthanasie
von Arnold Einholz
Leonberg. Eine Geschichtswerkstatt hat das Schicksal von 19 ermordeten Behinderten aus Leonberg erforscht.
Vor 70 Jahren haben die Nazis ein Verbrechen eingeleitet, das an brutaler Menschenverachtung kaum noch zu übertrumpfen war - die Ermordung tausender behinderter Menschen. In diesem Jahr jährt sich auch zum 70. Mal der Mord an mehr als 10 000 Kranken in dem seinerzeit von der Samariterstiftung beschlagnahmten Behindertenheim Grafeneck.
Vor diesem Hintergrund hat der Vorstandsvorsitzende der Samariterstiftung Hartmut Fritz angeregt, das Schicksal aus Leonberg stammender Opfer zu erforschen. Dieser Aufgabe hat sich die KZ-Gedenkstätteninitiative gestellt. "Zum ersten Mal nach 70 Jahren wird der 19 Opfer aus Leonberg öffentlich mit einer umfangreichen Ausstellung und einer begleitenden Veranstaltungsreihe in Leonberg gedacht", sagt Eberhard Röhm, der Vorsitzende der Initiative.
Hartmut Fritz, Karl Grob, Eberhard Hudelmayer, Reinhard Pfeffer, Eberhard Röhm, Wolfgang Schiele, Hildrun Schlicke, Hilde und Klaus Beer haben als Mitglieder einer eigens gegründeten Geschichtswerkstatt geforscht. Unterstützt wurden sie von der Gedenkstätte Grafeneck. Sie haben Familien befragt und Patientenakten aus Bundesarchiv, Landesarchiv und den Archiven kirchlicher Heilanstalten ausgewertet nach Namen von Euthanasieopfern aus Leonberg. Sie haben dabei das Schicksal von 19 ermordeten Menschen aus Leonberg aufgeklärt.
Mit einer Informationsveranstaltung am 11. Oktober, um 19 Uhr, im Haus der Begegnung wird die Ausstellung über die Geschichte Grafenecks eröffnet. Zwölf Tafeln sind darin dem Schicksal der Leonberger Opfer gewidmet. Es spricht Thomas Stöckle, der Leiter der Gedenkstätte Grafeneck. Die Ausstellung ist bis zum 12. November geöffnet. Die Mordaktion wäre nicht denkbar gewesen ohne den "Menschenzüchtungswahn" der Nazis.
Über die NS-Erbgesundheitspflege und die damalige Rassenideologie wie auch über die Zwangssterilisierungen wird Klaus Beer in seinem Referat am 18. Oktober, um 19.30 Uhr, im Haus der Begegnung berichten. Über die an der Mordaktion beteiligten "Täter" spricht Eberhard Röhm am 28. Oktober, um 19.30 Uhr, in der Volkshochschule. Er stellt auch dar, wie Mitarbeiter der Anstalten gezwungenermaßen zu Mittätern wurden. Er geht ebenfalls auf zwei unmittelbar Mitverantwortliche aus Leonberg ein: Den aus Gebersheim stammenden württembergischen Innenminister Jonathan Schmid, in dessen Ministerium sich die Schaltzentrale für die Morde im Südwesten befand. Der zweite Mittäter ist der Warmbronner Kriminalbeamte Gottlieb Hering.
Er gehörte 1940 zu den Mitarbeitern der Zentrale und leitete das Sonderstandesamt der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein, später war er Verwaltungsleiter in Hadamar, wo zwei Leonbergerinnen umgebracht wurden. Am Sonntag 24. Oktober, um 10 Uhr, findet in der Stadtkirche ein ökumenischer Gottesdienst statt, in dem der Leonberger Opfer gedacht wird. Die Predigt hält Dekan a.D. Hartmut Fritz.
Abgeschlossen wird die Veranstaltungsreihe mit einer szenischen Lesung. Die Leonberger Theatergruppe Kandel erinnert an das Euthanasieverbrechen am Mittwoch, 10. November, um 19.30 Uhr, in der Versöhnungskirche im Ramtel.