Gedenkstätteninitiative ringt um weiteres Konzept
von Michael Schmidt
Leonberger Kreiszeitung, Donnerstag, 23. Mai 2002
LEONBERG - Ein "Weg der Erinnerung'' zeichnet heute öffentlich sichtbar den Leidensweg von KZ-Häftlingen in Leonberg nach. Doch der alte Autobahntunnel unterm Engelbergsattel soll noch mehr Gedenkstätte werden. Wie, darum ringt die KZ-Gedenkstätteninitiative.
"Das ist kein Pappenstiel mehr'', fasste ein Mitglied der Gedenkstätteninitiative die Situation zusammen. Aus der Leonberger Kreiszeitung konnten sich die Erfinder des "Weges der Erinnerung'' über die Begehrlichkeiten von Bosch und DaimlerChrysler informieren, die den alten Engelbergtunnel für Lichttests an Autos gebrauchen könnten. Mit der Initiative habe niemand gesprochen, auch wenn dies den Gemeinderäten in nicht öffentlicher Sitzung von der Stadtverwaltung versichert wurde.
Politische Brisanz erhält die Anfrage der Wirtschaftsunternehmen durch zwei Vorgänge: Für etliche Mitglieder der Gedenkstätteninitiative ist DaimlerChrysler der direkte Nachfolger von Messerschmitt. Die Flugzeugwerke hatten im Zweiten Weltkrieg in der Engelbergröhre das "Presswerk Leonberg'' betrieben, wo die KZ-Häftlinge Flügel des Messerschmitt-Düsenjägers anfertigen mussten. Zum anderen will die Initiative in kleinen Schritten die ehemalige Tunnelröhre zur sichtbaren Gedenkstätte gestalten. Dazu erarbeitete eine Gruppe eine Reihe von konkreten Vorschlägen - zeitgleich, während die Autohersteller mit der Leonberger Stadtverwaltung verhandelten.
Immerhin konnte die überrumpelte Gedenkstätteninitiative erreichen, dass sie vor einer Abstimmung des Gemeinderats über das Thema vom Oberbürgermeister informiert werden. "Für diesen Zeitpunkt müssen wir uns wappnen, da müssen wir ein klares Konzept auf dem Tisch liegen haben, das wollen wir!'', sagte die stellvertretende Vorsitzende der Initiative, Renate Stäbler.
Sie stellte denn auch den Entwurf einer Stahlskulptur des Bildhauers Johannes Kares vor. Der stilisierte sieben Meter hohe Wachturm könne vor dem Tunneleingang gestellt werden. Ein angedeuteter Suchscheinwerfer nimmt den Betrachter ins Visier, die Skulptur soll aus formalen (und aus Sicherheits-) Gründen nicht begehbar sein. Die reinen Materialkosten veranschlagt der Künstler mit rund 10 000 Euro.
Wesentlich teurer wird eine Rauminstallation im Inneren der verbliebenen Tunnelröhre. Bis auf Höhe der ehemaligen Zwischendecke, die von Messerschmitt eingezogen wurde und den Röhrenquerschnitt zweiteilte, soll ein etwa zehn auf 15 Meter großes Holzpodest entstehen. Treppen sollen auf das Podest hinaufführen. Im Inneren des Raumes könnten Ausstellungsstücke auf die Arbeitsbedingungen der KZ-Häftlinge im Tunnel, auf die Maschinerie des Presswerks hinweisen. Grob geschätzt kommt dieses Vorhaben auf rund 45 000 Euro.
Scheitern könnte es aber nicht allein am Geld, sondern eher an den baulichen Bedingungen. Weil die Röhre zugeschüttet wurde, findet keine Belüftung mehr statt. Eine ungewöhnliche Belastung an Schimmelpilz-Sporen und außerordentliche Luftfeuchtigkeit verhindern eine längerfristige Nutzung, gefährden langfristig die Bausubstanz des Tunnels.
"Daimler und Bosch brauchen genau dasselbe wie wir, eine Lüftung und einen Fluchtweg. Eine einmalige Chance'', regte Martin Riethmüller die Zusammenarbeit mit den Konzernen an. "Unerträglich'', findet Gudrun Sach diese Vorstellung. "Wenn ich Schülern von den abscheulichen Arbeitsbedingungen im Tunnel berichte und nebendran testet Daimler seine Autos.'' Zwischen diesen beiden Extremen muss nun die Initiative eine Lösung finden. "Die Zeit drängt'', weiß Renate Stäbler - und hier bekam sie fast uneingeschränkt Recht.