Geschichte ist nicht nur ein Thema im Klassenzimmer
von Franziska Kleiner
Leonberger Kreiszeitung, 16. März 2005
LEONBERG - Drittes Reich, Zweiter Weltkrieg und dessen Ende am 8. Mai 1945, vor 60 Jahren. In den Schulen wird darüber gesprochen, doch die Auseinandersetzung der Schüler mit diesem Kapitel deutscher Geschichte findet auch an den Orten des Geschehens statt.
Pflicht ist es in der Schule nicht, dass ein Schüler im Laufe seiner Schulzeit eine Gedenkstätte besucht, sagen Volker Philippin, Rektor der Pestalozzischule, und seine Kollegen der anderen Schulen in Leonberg. In der Oberstufe wird das Thema Nationalsozialismus im Unterricht behandelt. So steht etwa die Frage im Vordergrund, wie es dazu kommen konnte, erklärt der Rektor der Förderschule. Auch über die Alltagsgeschichte machen Klassenlehrer die Schüler mit der Vergangenheit vertraut. Philippin verweist etwa auf das Thema "Jugend im Nationalsozialismus", für das sich die Jugendlichen besonders interessierten, weil sie es mit ihrer Lebenswirklichkeit vergleichen können.
Neben dem Unterricht im Klassenzimmer hält Philippin es für sinnvoll, den Schulstoff vor Ort zu veranschaulichen, etwa auf dem "Weg der Erinnerung" in Leonberg - nicht nur dann, wenn sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 60. Mal jährt. Dies bestätigen seine Kollegen. "Sie können fünf Filme zeigen", so Philippin, "doch Sie erreichen weniger, als wenn die Schüler vor Ort lernen."" Nüchterne Fakten sprächen oft weniger an als etwa Gefühle und Stimmungen, die vermittelt werden.
Etwa 25 Anfragen im Jahr erhalten Eberhard Röhm und Renate Stäbler von der KZ-Gedenkstätteninitiative. Dann gehen sie mit den Schülern gemeinsam den Weg der Erinnerung. Dem gehe aber voraus, dass sich Lehrer und Schüler im Unterricht damit beschäftigt hätten. Doch Röhm erzählt, dass er auch schon ein, zwei Schüler begleitet habe, die dann den Weg mit den Klassenkameraden gingen. Auch die Dokumentation "Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg" wird im Unterricht genutzt. Nach Angaben von Direktor Wolfgang Waldinger wurde das Buch im Johannes-Kepler-Gymnasium als "Klassensatz" angeschafft: Im Unterricht stehe jedem Schüler ein Exemplar zur Verfügung.
Regelmäßig fahren außerdem Schüler der Klasse 10 zum Konzentrationslager nach Dachau - so auch gestern Morgen. Auch die Schüler der Klasse 9 der Schellingschule waren mit Rektor Dieter Bölz-Hohkamp in dieser Woche dort, berichtet Konrektorin Monika Murschel-Grimm. Die Klassenfahrten - als Schulveranstaltung Pflicht für die Schüler - werden vom Land gefördert und finden auf Initiative der entsprechenden Fachlehrer statt.
Das Land unterstützt Studienfahrten zu Gedenkstätten nationalsozialistischen Unrechts, 2003 mit rund 119 500 Euro. Dies geht aus der Antwort des Kultusministeriums hervor auf die Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Renate Rastätter.
Die Möglichkeiten vor Ort zu nutzen, schätzen die beiden Rektoren Reinhold Rankl (Ostertag-Realschule) und Harald Düppe von der Gerhart-Hauptmann-Realschule. Düppe macht auch von der Möglichkeit Gebrauch, nach Natzweiler zum ehemaligen KZ Natzweiler-Struthof zu fahren. Für ihn ist dies nicht nur Teil des Geschichtsunterrichts. Auch betreffe es Gemeinschaftskunde und Religion, so Düppe.