Häftlingsjacke fürs KZ-Museum
von Hans Jörg Ernst
Die Lebensgefährtin des ehemaligen Leonberger Zwangsarbeiters Claude Brignon übergibt dessen Bekleidung aus dunklen Zeiten der Gedenkstätteninitiative.
Leonberger Kreiszeitung, 19. März 2013
Es ist ein Auftrag ihres Mannes Claude Brignon, den Marguerite Chakfé erfüllt. Im KZ-Gedenkraum im hiesigen Samariterstift übergibt sie dessen Häftlingsjacke der Leonberger KZ-Gedenkstätteninitiative. Der ehemalige Zwangsarbeiter des KZ-Außenlagers Leonberg hatte diesen Schritt vor seinem Tod im März 2009 so verfügt. „Dass die Jacke, die Claude Brignon als Beweis für sein Leiden mitgenommen hat, jetzt wieder zurückkommt an den Ort des Geschehens, ist nicht alleine eine authentische Bereicherung unserer Dokumentationsstätte, sondern auch ein Vertrauensbeweis in unsere Arbeit“, unterstreicht die Vorsitzende Marei Drassdo die Bedeutung der Leihgabe.
Marguerite Chakfé wird begleitet von ihrer Familie. Die bereits im Dezember geplante Fahrt aus dem Lothringischen Le Saulcy nach Leonberg hatte damals ein plötzlicher Wintereinbruch unmöglich gemacht. Nach dem Besuch der Dokumentationsstätte in der alten Röhre des Engelbergtunnels versammelt sich die französische Familie zusammen mit einem kleinen Kreis von Mitgliedern der Initiative im Gedenkraum.
Noch mit den Eindrücken aus dem Tunnel schauen sie sich im Raum um. Die Exponate in den Vitrinen, wurden von Leonberger Bürgern zur Verfügung gestellt: Arbeitsschuhe, Löffel, ein Essgefäß, das sich ein Häftling aus Flugzeugblech selbst hergestellt hatte, und ein Warnschild mit einem Totenkopf und den Worten „Halt - Halt" sind zu sehen. Die Häftlinge wurden mit der Eisenbahn in Viehwaggons und auf offenen Lastwagen aus Konzentrationslagern nach Leonberg transportiert, um dort im bombensicheren Engelbergtunnel Tragflächen für den Düsenjäger Me 262 zu montieren.
Unter ihnen war auch Claude Brignon, der am 9. November 1944 mit einem Transport aus dem Konzentrationslager Dachau ankam. Insgesamt starben 389 Häftlinge in Leonberg und viele weitere an den Folgen des Arbeitseinsatzes. Claude Brignon überlebte das Konzentrationslager. Er kehrte nach Frankreich zurück, war jedoch lebenslang gesundheitlich schwer geschädigt. „Erst hat er uns die Hand gereicht und dann sein Herz", schildert Eberhard Röhm von der Gedenkstätteninitiative. Das verdeutlicht auch ein kleines Plakat, das die Familie mitgebracht hat.
Es ist in Französisch und Deutsch abgefasst: „Claude hat in seinem Leben seine Energie nicht nur dafür aufgewandt, dass die Unmenschlichkeit, die seine Mitgefangenen erleiden mussten, nicht in Vergessenheit gerät, sondern ebenfalls, um zu verzeihen.“ Brignon „war der erste Häftling, der den Leonbergern die Hand zur Versöhnung reichte.
Marguerite Chakfé legt die blaugestreifte KZ-Häftlingsjacke auf den Tisch, streicht mit den Händen darüber und breitet sie dort aus. Spuren des Tragens bei der Zwangsarbeit sind deutlich zu sehen. Auf der linken Brustseite ist ein rotes, nach unten gerichtetes Dreieck aufgenäht. Es zeigt ein „F" für „Franzose" und darüber die Dachauer Nummer „116759", seiner letzten Leidensstation vor der Befreiung durch die US-Armee am 29. April 1945. Die Häftlingsnummer, die damals entfernt wurde und verloren ging, wurde später auf Wunsch Brignons wieder angenäht.
„Er wollte, dass die Jacke so aussieht wie damals“, erklärt Marguerite Chakfé. Schweigend und umringt von ihrer Familie hängt sie die Jacke an ihren neuen Platz, eine Vitrine im KZ-Gedenkraum. Viel mehr sagen möchte sie nicht. „Es war ein Versprechen, das ich ihm gegeben habe“, sagt sie.
Das habe sie nun eingelöst. Dann fügt sie doch noch an: „Er hat es für sich gebraucht, wieder herzukommen. Er musste die eigene Geschichte auch für sich aufarbeiten.“
DIE GEDENKSTÄTTENINITIATIVE
Mahnung. Die Gedenkstätteninitiative hat im Jahr 2001 den Weg der Erinnerung gestaltet, der vom Friedhof Seestraße hoch zum Engelbergtunnel führt. Die „Namenswand“ von Johannes Kares vor dem Tunnel mit 3000 bekannten Namen wurde 2005 eingeweiht.
Drei Jahre später wurde der KZ-Gedenkraum im Leonberger Samariterstift eröffnet, dort, wo sich damals das „neue Lager“ befand. Weitere Dokumentationsprojekte. Die Dokumentationsstätte im alten Engelbergtunnel zur Geschichte des KZ-Außenlagers Leonberg entstand 2008. Das „Haus der 1000 Namen" kommt am 9. Mai 2013 hinzu.