Klares Votum gegen eine Gedenkstätte

von Anja Tröster
Leonberger Gemeinderat lehnt Pläne für ein Mahnmal vor dem Engelbergtunnel ab
Stuttgarter Zeitung, 19. Februar 2004

LEONBERG. Die Diskussion um die KZ-Gedenkstätte ist am Dienstag kurz ausgefallen: Bei zwei Enthaltungen aus den eigenen Reihen haben CDU, Freie Wähler und FDP dafür gestimmt, am alten Engelbergtunnel lediglich Gedenktafeln mit Namen anzubringen.

Es wird keine Wachturmskulptur von Künstlerhand, keinen Platz des Gedenkens im ursprünglich beabsichtigten Sinne geben. Die lang gereiften Pläne der KZ-Gedenkstätteninitiative für ein selbst finanziertes Mahnmal haben im Leonberger Gemeinderat keine Mehrheit gefunden.

Die Stadtverwaltung hatte sich in der Drucksache zu dem Thema sogar klar gegen die Gedenkstätte ausgesprochen. Oberbürgermeister Bernhard Schuler machte keinen Hehl daraus, dass er diese Haltung teilt. Offenbar glaubt man im Rathaus, mit einem Friedensdenkmal im Stadtpark, dem Gedenkstein auf dem Friedhof in der Seestraße und dem Mahnmal auf dem Blosenberg gebe es bereits ausreichend Plätze, die an die Vergangenheit erinnerten.

Die Gedenkstätteninitiative war allerdings vergangene Woche nicht nur von dem Plädoyer der Verwaltung gegen die Gedenkstätte überrascht. "Erstaunlicherweise gibt die Drucksache unseren Antrag an den Gemeinderat an keiner Stelle wieder", klagte der Vorsitzende Eberhard Röhm. Stattdessen werde der Eindruck erweckt, man wolle das Tunnelinnere für ein Museum beanspruchen und verknüpfe die Gedenkstätte auf dem Vorplatz des Tunnels zwangsläufig mit der Realisierung der so genannten "Allee des Gedenkens".

Bei dieser Allee handelt es sich um eine Idee der Leonberger Bund-Expertin Beate Junker, die das Denkmal auf dem Blosenberg durch eine Reihe von Lindenbäumen mit dem Tunnel verbinden will.
Die Pläne für die Gedenkstätte wurden sowohl im Sozialausschuss wie auch im Planungsausschuss bereits vergangene Woche vorab beraten. In beiden Ausschüssen fand der Vorschlag der Verwaltung, die Pläne abzulehnen, zwar keine Mehrheit, allerdings erging es den ursprünglichen Plänen der Initiative nicht besser: Die Idee, vor dem Tunnel eine Skulptur in Form eines Wachturms aufzustellen, wurde auch abgelehnt.

Am Dienstag unternahm Eberhard Schmalzriedt von der GABL (Grünalternative Bürgerliste), der Mitglied der Initiative ist, einen letzten Anlauf, den Gemeinderat zu überzeugen. Erst am Samstag habe die Landesbildungsministerin Annette Schavan von der CDU bei einer Rede zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus gesagt, das Gedenken an regionalen "Orten des Entsetzens und des Widerstandes" sei wichtig.

Man müsse vor Ort nachvollziehen können, was geschehen sei. Schavans Parteigenossen in Leonberg beeindruckte das wenig. Kurt Vestner (CDU) stellte klar, dass man lediglich Namenstafeln links und rechts des Tunneleingangs akzeptieren werde. Auch die Tatsache, dass auf die Stadt keine Kosten zukommen, weil die Initiative die Gedenkstätte selbst finanzieren würde, tat nichts zur Sache. Vestner wünschte sich, "das Thema Gedenkstätten" damit "ein für alle Mal erledigen" zu können.

Der CDU-Politiker sprach klar aus, warum seine Fraktion - und wohl auch die Verwaltung - die Pläne ablehnt: "Wir wollen das Gelände für künftige Planungen freihalten." Der Antrag Schmalzriedts auf die Realisierung der Stätte in der ursprünglich vorgesehenen Form scheiterte deshalb an den Stimmen der CDU, FDP und Freien Wähler. Zwei Gemeinderäte aus diesen Reihen enthielten sich der Stimme. Stattdessen wurde beschlossen, lediglich Namenstafeln zu genehmigen.

Die Mitglieder der Initiative nahmen es gelassen. Immerhin sei ein Anfang gemacht, sagte einer aus der Gruppe, die vor der Tür auf die Entscheidung wartete. Nach der Diskussion in den Ausschüssen hatten sie ohnehin nicht mehr damit gerechnet, bis zum 60. Jahrestag der Befreiung der Überlebenden im Jahr 2005 ihre Idee verwirklichen zu können.


Keine KZ-Gedenkstätte - beschämend - Kommentar von Anja Tröster

"Es reicht! Wir haben genug Gedenkstätten! Irgendwann muss Schluss sein mit der ganzen Gefühlsduselei!"

Richtig gelesen. Solche Äußerungen sind dieser Tage tatsächlich öffentlich gefallen: im Leonberger Gemeinderat. Die dortige CDU-Fraktion glaubt, das Maß des Gedenkens sei voll. Im Gegenteil, es sei an der Zeit, sich dieser lästigen Pflicht zu entledigen. Zumindest hat das Kurt Vestner, ein CDU-Stadtrat, behauptet - von seinen Fraktionskollegen unwidersprochen.

Wie das bei jenen Menschen ankommt, die das Leonberger Konzentrationslager und die Fron bei der Firma Messerschmitt überlebten, kümmert ihn und seine Fraktion offenbar nicht. Es interessiert sie ebenfalls wenig, dass ein Mensch, der an diesen Ort des Leidens zurückkommt, mit einem Gedenkstein an anderer Stelle nicht viel anfangen kann - darauf hatte die Gedenkstätteninitiative mehrfach hingewiesen. Das ist traurig. Erst recht, wenn man hören muss, dass das Gedenken in diesem Fall dem Profit zum Opfer fällt, den man aus der Bebauung des mitten in der Stadt gelegenen Grundstücks in naher Zukunft schlagen will.

Weiterhin stellt sich aber auch die Frage, was man davon zu halten hat, dass solche Äußerungen überhaupt in einem öffentlichen Gremium fallen. Von einem Kommunalpolitiker sollte man ein Mindestmaß an Sensibilität verlangen können - erst recht, wenn er einer Partei angehört, die sich im vergangenen Jahr den Vorwurf gefallen lassen musste, sie gehe nur auf Druck von außen gegen Mitglieder vor, die am liebsten sofort einen Schlussstrich unter die Nazivergangenheit ziehen möchten.


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