Leid war nicht umsonst, wenn wir daraus lernen

von Sybille Schurr
Leonberg. Die Zeitzeugen der KZ-Geschichte haben ihre Erfahrungen an die junge Generation weitergegeben.
Leonberger Kreiszeitung, 29. Juni 2009

Die Zeit schreitet fort, und wer wird die Erinnerungsarbeit leisten, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt?" Das ist eine Frage, die nicht nur die Leonberger KZ-Gedenkstätten-Initiative umtreibt, auch Albert Montal aus dem Vogesenstädtchen Charmes stellt sich die Frage. Er hat eine Antwort: "Es sind die jungen Menschen, die sich für die Geschichte interessieren, sie erforschen und dafür sorgen, dass die Vergangenheit, und sei sie noch so schmerzlich, vor dem Vergessen bewahrt wird."

Im Herzen von Leonberg, mitten auf dem friedlich ruhigen Marktplatz, wurde am Samstag das dunkelste Kapitel der Stadtgeschichte aufgeblättert. Eberhard Röhm, Vorsitzender der Leonberger KZ-Gedenkstätten-Initiative, und Oberbürgermeister Bernhard Schuler begrüßten Gäste aus Charmes.

Albert Montal kennt Leonberg als Ort des Grauens. Er war zwischen 1944 und 1945 Zwangsarbeiter im KZ. Er hat das tägliche Sterben miterlebt, die Not und das Elend von Menschen, denen eine dem Rassenwahn verfallene Diktatur jegliche Menschlichkeit versagte. Eng mit seinem ganz persönlichen Schicksal verknüpft ist die Geschichte seiner Heimatstadt Charmes. Am 5. September 1944 wurden 150 Männer der kleinen Stadt in den Vogesen von den Deutschen deportiert. Die Frauen und Kinder, erzwungene Zeugen dieser Deportation, mussten auch zusehen, wie fast die gesamte Stadt verbrannt wurde. Nur 50 der Deportierten aus Charmes kehrten wieder zurück.

Marcel Murschel hat das Thema "Charmes-Leonberg" zum Abiturthema gemacht und einen inzwischen mit Bestnote bewerteten Film gedreht. Am Samstagabend wurde dieser Film vorgestellt. Abiturienten mit Neigungsfach Französisch hatten eigens für die Gäste eine französische Fassung erstellt.

Der Film ließ die Orte auf eine andere Art lebendig werden, die die Gäste am Nachmittag auf dem Weg der Erinnerung kennen gelernt haben. Auch wenn die schmerzlichen Erinnerungen immer vorhanden sind, heute stehen die freundschaftlichen Beziehungen im Vordergrund. Dennoch ist Albert Montal fest davon überzeugt, dass dieses Leiden nicht umsonst war, wenn junge Menschen daraus lernen. "Die Freiheit ist ein zerbrechliches Gut. Man muss einmal davon ausgeschlossen sein, um ihren Wert zu begreifen." Auch die 15- bis 18-jährigen Schüler aus Charmes haben sich mit dem Thema "Widerstand und Deportation" auseinandergesetzt.

Die Fahrt nach Leonberg war für die Schüler Anerkennung für ihr Engagement. "Ich freue mich über diese Begegnungen", sagte Oberbürgermeister Bernhard Schuler. Gerade heute in Zeiten einer tiefen Krise seien diese Begegnungen über Grenzen hinweg von großer Bedeutung, denn in Krisenzeiten seien auch Demagogen unterwegs, die neue Feindbilder aufbauen. Heute sei es möglich, "mit Mut und Würde" an die schreckliche Vergangenheit zu denken, stellte der Bürgermeister von Charmes, Gilbert Claudel, fest. "Wir alle müssen Verantwortung übernehmen für die Vergangenheit, und sei es noch schwer."

Doch nur auf diesem Fundament des Wissens sei es möglich, zu Versöhnung und Freundschaft zu gelangen. Den jungen Menschen falle die Verantwortung zu, die Lehren zu ziehen aus der Vergangenheit und weiterzubauen an einem friedlichen Europa, an einer friedlichen Welt.


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