Leonberg erhält seine Ehre zurück
von Ute Jenschur
Das Mahnmal vor der KZ-Gedenkstätte im alten Autobahntunnel gibt ehemaligen Häftlingen ihre Identität und Ehre zurück. Schüler hab en die 1000 Namen in Stahlplatten gemeißelt – jetzt sind sie für die Öffentlichkeit zugänglich.
Leonberger Kreiszeitung, 10. Mai 2013
Metallisches Klopfen und Hämmern hallt aus der alten Tunnelröhre. Erst leise, dann immer durchdringender. Nur erahnen kann man, was für ein Leid die Zwangsarbeiter einst an dieser Stelle ertragen mussten. Eindringlich zeigt die Theatergruppe des Gerlinger Robert-Bosch-Gymnasiums, dass die Häftlinge damals nur Nummern waren, und sie veranschaulicht die Brutalität im Umgang mit den Gefangenen.
Den 1000 bislang nicht bekannten Nummern einen Namen zu geben und so das Andenken an die bislang anonymen, unter den Nationalsozialsten verfolgten Menschen aufrechtzuerhalten ist die Aufgabe des neuen Mahnmals an der KZ-Gedenkstätte im alten Autobahntunnel in Leonberg, das am Himmelfahrtstag mit einem Festakt enthüllt wurde. Riccardo Goruppi gehörte damals zu den nach Leonberg verschleppten Zwangsarbeitern.
Als Kämp fer im slowenischen Widerstand wurde er in Italien schon unter Mussolini verfolgt und unter den Nationalsozialisten schließlich verhaftet. Als sein Vater ihm zu Hilfe eilte, wurde auch er gemeinsam mit seinem Sohn zunächst nach Dachau, später nach Leonberg transportiert.
Am 31. Dezember 1944 kamen beide hier an. Der Vater starb in der Haft und liegt in Leonberg auf dem Alten Friedhof begraben. Stellvertretend für die ehemaligen Häftlinge dankte Riccardo Goruppi der KZ-Gedenkstätteninitiative und der Stadt Leonberg, dass die Erinnerung an die zahlreichen Zwangsarbeiter durch das Mahnmal lebendig gehalten wird. „Es beherbergt die Namen der Häftlinge und gibt damit den vielen Opfern, die damals nur eine Nummer waren, heute ihre Namen und ihre Ehre zurück“, erklärte Goruppi. Und er fügte hinzu: „Es gibt auch der Stadt Leonberg ihre Ehre zurück.“
Von A wie Rubel Amstamjan bis Z wie Wigdor Zylbernkopf sind auf den 13 Stahltafeln die ehemaligen Zwangsarbeiter für immer verewigt. Die Namen in die Bleche gehämmert von rund 300 Schulkindern aus Leonberg und der Region im Rahmen eines lebendigen Geschichtsunterrichts. In einem zweiwöchigen Projekt hatten sie vom Künstler Johannes Kares den Umgang mit Hammer und Metall gelernt.
Sie haben viele Zeitzeugen getroffen und emotionale Gespräche mit ihnen führen können. Das Mahnmal steht vor dem alten Leonberger Autobahntunnel, der ab Frühjahr 1944 den Nationalsozialisten als Produktionsstätte für Flugzeugteile diente und der heute die KZ-Gedenkstätte beherbergt. Das Kunstwerk von Johannes Kares erinnert an die Häftlinge, deren Namen beim Errichten der ersten stählernen Gedenkwand vor sieben Jahren noch nicht bekannt waren. Durch die Auswertung von Transportlisten konnten sie mittlerweile identifiziert werden.
„Am 16. März 1945 waren 986 Männer vom überfüllten KZ Flossenbürg in das von Seuchen geprägte Lager nach Leonberg transportiert worden", schildert die Vorsitzende der KZ-Gedenkstätteninitiative, Marei Drassdo, die Vorgänge kurz vor Kriegsende. Zwei Drittel der Männer waren Juden, 80 Prozent kamen aus Polen, der Ukraine oder Russland, aber auch viele Italiener waren darunter. Von weiteren 1000 Menschen aus dem ehemaligen KZ Leonberg konnten die Namen auch bisher noch nicht recherchiert werden. Unterstützt wurde die neue Erinnerungsstätte auch von vielen Firmen.
Der Leonberger Türenhersteller Geze erklärte, zum 150-Jahr-Jubiläum der Firma habe man den Etat für solche „Wohltätigkeitsprojekte" erhöht und helfe gerne.
KZ-GEDENKSTÄTTENINITIATIVE
Entstehung, Seit März 1999 gibt es die KZ-Gedenkstätteninitiative in Leonberg. Ein Jahr später organisierte die Gruppe sich als gemeinnütziger eingetragener Verein. Aufgaben.
Ziel ist es, die Erinnerung an das KZ Leonberg zu bewahren. Sie tut das durch Kontakt mit noch lebenden ehemaligen Häftlingen, durch Erforschung und Vermittlung der Geschichte von KZ und Zwangsarbeit.
Hintergrund
Im alten Engelbergtunnel mussten vom Frühjahr 1944 bis Kriegsende mehrere tausend KZ-Häftlinge für die Rüstungsfirma Messerschmitt Tragflügel für das Düsenflugzeug Me 262 herstellen.