Man hat gemerkt, wie wichtig das ist

von Marius Venturini
Im Gedenken an die NS-Opfer haben Schüler des JKG den Ort Charmes in Lothringen besucht.
Leonberger Kreiszeitung, 26. Mai 2010

„Die Französischkenntnisse sind wirklich gut bis sehr gut“, lobt Lehrerin Nicole Hudec die Sprachgewandtheit ihrer Schüler. Diese war auch notwendig, um vor und mit den Bürgern des französischen Örtchen Charmes sprechen zu können. „Rein sprachlich bleibt so etwas immer ein einseitiger Austausch, da von den Bürgern dort kaum jemand Deutsch spricht“, sagt Hudec.

29 Schüler der Oberstufe des Leonberger Johannes-Kepler-Gymnasiums haben das kleine Vogesen-Städtchen besucht. Anlass war die Tatsache, dass die SS im Jahr 1944 den Ort fast vollständig zerstört und nahezu alle männlichen Bewohner in Konzentrationslager nach Deutschland deportiert hat - einige in das KZ am Engelberg. „Charmes hält die Erinnerung aufrecht“, sagt Nicole Hudec. Im vergangenen Jahr gastierten bereits französische Schüler und Holocaust-Überlebende in Leonberg. Nun erfolgte der Gegenbesuch.

Auf dem Weg nach Charmes liegt das ehemalige KZ im elsässischen Natzweiler. Dort machte die Gruppe Halt, um die Gedenkstätte zu besichtigen. Das hat tiefe Eindrücke hinterlassen. „Ein Arzt aus Straßburg ließ Juden umbringen, um sich eine Skelettsammlung anzulegen“, berichtet der Schüler Wolfgang Knopki. Und Frederick Wankmüller ist erschüttert über die Kaltblütigkeit der Nationalsozialisten: „Die Krematorien wurden dazu benutzt, Wasser zu erwärmen.“ Durch Natzweiler führte der Vorsitzende der KZ-Gedenkinitiative Leonberg, Eberhard Röhm, der ebenfalls mitgereist war. Auch Marcel Murschel war dabei. Er hat 2009 als Facharbeit für sein Abitur den 40-minütigen Film „La Volonté de Vivre - Der Wille zu Leben“ gedreht.

Der befasst sich mit dem ehemaligen Leonberger KZ-Insassen Albert Montal. Dieser stammt aus Charmes. Dort angekommen, hat der Bürgermeister Gilbert Claudel die Delegation willkommen geheißen. „Das war ein sehr herzlicher Empfang, irgendwie typisch französisch“, erinnert sich Wolfgang Knopki. „Man hat gemerkt, wie wichtig der Besuch für die kleine Stadt ist“, fügt Frederick Wankmüller hinzu. Es folgten kurze Reden der Schüler, wonach man die örtliche Gedenkstätte für die Deportierten besuchte und dort ein Blumengebinde niederlegte. Ein Besuch des nahen Nancy und eine Stadtführung rundeten den Tag ab.

Am nächsten Tag hatten die Leonberger die Ehre, beim Umzug anlässlich des Tages der Nazi-Kapitulation teilzunehmen. „Das hatte einen sehr militärischen Charakter“, berichten die Schüler übereinstimmend. Auch hatten sie die Gelegenheit, mit Überlebenden der Deportation zu sprechen. „Das war wirklich außergewöhnlich“, sagt Frederick Wankmüller. Besonders die detailgenauen Schilderungen von Albert Montal, wie grausam die Deportationen verlaufen sind, habe die Leonberger Gymnasiasten beeindruckt.

Negative Reaktionen seitens der französischen Bevölkerung habe es keine gegeben. „Man könnte das vielleicht sogar verstehen, vor allem bei den Älteren“, sagt Nicole Hudec. Aber gerade die seien sehr freundlich und zuvorkommend gewesen, meint Schüler Florian List. Man habe vielleicht mal hier und da ein „Oh, les allemands“ gehört, jedoch sei dies wohl nicht ganz so ernst gemeint gewesen.

Am Ende bleibt allen Beteiligten eine gelungene und dem Gedenken an die Opfer würdige Begegnung im Gedächtnis. „Geplant ist noch nichts Konkretes, wir würden uns aber freuen, wenn es zu weiteren Treffen käme“, sagt Französichlehererin Nicole Hudec. Die Schüler pflichten ihr bei.


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