Milch statt Eier, Essig statt Backpulver

Leonberg Die Aktiven der KZ-Gedenkstätteninitiative erinnern an Plätzchen-Rezepte aus dunklen Tagen. Von Regine Brinkmann

 Leonberger Kreiszeitung vom 9. Dezember 2015

Eine der wesentlichen Fragen der Adventszeit ist beim Treffen in der Bibliothek der KZ-Gedenkstätteninitiative heiß diskutiert worden: Heißt es jetzt Gutsle oder Bredle? Gibt es überhaupt einen Unterschied? Einigkeit besteht immerhin in einem Punkt: keinesfalls heißt es Weihnachtsbrötchen!

„Worte sind Schall und Rauch", schmunzelt einer der Gäste und setzt der Diskussion mit einem Augenzwinkern ein vorläufiges Ende: „Hauptsache, es schmeckt!" Denn natürlich haben die Veranstalter etliche Kostproben vorbereitet. Teller mit Fränkischen Bauernlebkuchen, Bärentatzen, Vanillekipferl und Butter-S finden sich auf der weihnachtlich geschmückten Tafel, an die das Bibliotheks-Team der KZ-Gedenkstätteninitiative zum Schmökernachmittag eingeladen hat.

Hier werden beim gemütlichen Kaffeetrinken ausgesuchte Bücher vorgestellt und einige Passagen vorgelesen, untermalt von persönlichen Erlebnissen und Geschichten.

 

Rezepte mit Ersatzzutaten

Auch besondere Rezepte aus den Kriegs- und Nachkriegsjahren werden vorgestellt, zum Beispiel die Knusperplätzchen „Ohne alles mit Essig". Dieses Rezept aus den letzten Kriegsjahren, in denen die Beschaffung von Lebensmitteln für die Weihnachtsbäckerei ausgesprochen schwierig war, besteht denn auch aus Ersatzzutaten: Eier werden durch Milch ersetzt, Milch durch Magermilch, Zucker durch Süßstoff, Backpulver durch Essig.

Das Rezept sorgt für Heiterkeit. Angesichts der Leckereien auf der Kaffeetafel lässt es sich bei der Vorstellung von essiggetriebenen Weihnachtsbäckereien wohlig erschauern und frohgemut nach den reichhaltigeren Plätzchen von heute greifen.

Dabei macht noch ein Meines Buch die Runde: „Gutsle & Bredle“, herausgegeben von Ulrike Stickel und Heike Krüger, ein Plätzchenbuch mit leckeren schwäbischen Rezepten, das die Leonberger Zuckerbäckerinnen allen interessierten Naschkatzen ans Herz legen.

In der kleinen Rezeptsammlung, die die fleißigen Bäckerinnen zusammengestellt haben, findet sich auch ein bürgerliches Kochrezept aus diesen Jahren: „Man nehme die Fleischkarte, wälze sie in der Eikarte und brate sie in der Butterkarte schön braun..."

 

Die wichtigste Zutat: Viel Liebe

Eines der schönsten Rezepte der Sammlung ist aber wohl das für die Haferflockenplätzchen aus den Jahren 1943/44. Mit Mehl, etwas Haferflocken, ein paar Tropfen Öl und einem Ei buk die Mutter nach ihrem Geheimrezept diese Plätzchen.

„Aber", so schreibt die Verfasserin, „Ich glaube, die wichtigste Zutat war sowieso die Liebe zur Familie."

 

Öffnungszeiten Die Bibliothek ist jeden ersten Sonntag im Monat von 15 bis 17 Uhr geöffnet, das nächste Mal am 3. Januar mit dem Thema: „Die Mutter vom Nesthäkchen im KZ' - über die Kinderbuchautorin Else Ury, die 1943 im KZ Auschwitz umgebracht wurde.

 

Internet Der schnellste Weg zur Bibliothek: http://www.kz-gedenkstaette-Ieonberg.de/bibliothek. Bücher können auch nach Terminabsprache ausgeliehen werden.


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