Nach 60 Jahren gefunden
von Monica Mather
Leonberger Kreiszeitung, 7. September 2004
LEONBERG - Vor 60 Jahren wurden Männer aus ganz Europa in Viehwaggons oder Lastwagen nach Leonberg deportiert, um hier für die SS und Messerschmitt im Tunnel Zwangsarbeit zu leisten. Nach dem Krieg haben sich zwei von ihnen gesucht - ohne Erfolg. Heute stehen der 81-jährige Tscheche und der 85-jährige Norweger in Briefkontakt. Wenn es ihre Gesundheit erlaubt, werden sie sich am 8. Mai 2005 in Leonberg treffen, bei der Einweihung der Namenswand am Tunnel.
Es war ein Zufall oder besser ein Glücksfall, der zu den nun bestehenden Kontakten - und gleichzeitig zu einem weiteren Zeitzeugen - führte. Zu den ehemaligen Häftlingen, die im Juli 2001 einer Einladung der KZ-Gedenkstätteninitiative gefolgt waren, gehörte auch der Norweger Kåre Kverneland. Er konnte sich gut an einige seiner Mithäftlinge erinnern, auch an einen Kamil Pixa, der sein guter Freund gewesen sei. Er habe ihm mehrmals geholfen. Seines Wissens sei er in Prag wegen kommunistischer Untergrundarbeit verhaftet worden. Nach dem Krieg habe er versucht, mit ihm in Verbindung zu treten, auch über Behörden in Prag, leider erfolglos. Er tröstete sich damit, dass sein Freund nicht auf der Totenliste stand.
Von einem Sammler, der sich auf Post aus Konzentrationslagern spezialisiert hat, kam ein Hinweis an eine der Autorinnen des Buches "Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Leonberg", das er gelesen hatte. Ein Hinweis, der Erfolg zu versprechen schien: Auf einer Ganzsache des Dritten Reiches - das ist eine Postkarte mit aufgedruckter Sechzig-Pfennig-Hitlermarke - schrieb eine Frau aus dem besetzten Böhmen und Mähren an einen Kamil Pixa aus dem Häftlingslager Dachau 3 K Block 12/3, geboren am 1. März 1923, Nummer 45008 "in Leonberg". Die Karte war datiert vom 2. September 1944.
Nachforschungen der Autorin bei der KZ-Gedenkstätte Dachau ergaben, dass Kamil Pixa am 5. März 1943 in das Konzentrationslager eingeliefert wurde. Am 30. Juni 1944, so heißt es in dem Dachauer Schreiben weiter, wurde er an das KZ Natzweiler überstellt. "Da in dieser Datenbank nur jeweils die Hauptlager und nicht die Nebenlager erwähnt sind, schließt dieser Hinweis nicht aus, dass Pixa nach Leonberg kam." Auch die Häftlingsnummer 45008 sei identisch mit der auf der erwähnten Postkarte. Dieses Datum des Eintreffens in Leonberg ist identisch mit dem auf der Leonberger Transportliste, wo Kamil Pixa allerdings die Natzweiler Häftlingsnummer 19024 erhalten hatte.
Nun galt es, den derzeitigen Wohnsitz von Kamil Pixa herauszufinden - sofern er überhaupt überlebt hatte. Nächste Station der Suche war die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Adressat hier der Prager Widerstandskämpfer Walter Beck. Die Antwort war ergiebig und nun ging ein Brief von Leonberg nach Prag. Die Postkarte aus dem Jahr 1944 wurde als Kopie beigelegt, ebenso ein Foto des norwegischen Freundes samt Adresse. Die Überraschung und die Freude waren groß, als eines Tages ein Brief, frankiert mit einer Briefmarke der Ceská Republika, im Briefkasten lag. Kamil Pixa hatte geschrieben. Der Brief habe ihn überrascht und ihm große Freude bereitet.
Schade, dass man sich nicht früher begegnet sei, wo er monatlich in den TV Studios Stuttgart und Baden-Baden gearbeitet habe. "Jetzt bin ich schon mit meinen 81 Jahren in Pension und reise nicht so oft." Wenn sich die Gelegenheit ergibt, würde er gern nach Leonberg kommen. Aber auch eine Einladung nach Prag wird ausgesprochen. Pixa bestätigt, dass er aus Dachau nach Leonberg gekommen ist als Strafe für seine Verbindung mit deutschen politischen Häftlingen. Alles andere wolle er mündlich mitteilen, entweder in Leonberg oder in Prag. Was seinen norwegischen Freund betrifft, schreibt Pixa: "Dem Kåre Kverneland habe ich schon geschrieben. Ich habe bis jetzt gedacht, dass er nicht überlebt hat. Danke."