Nesthäkchens "Mutter" kam ins KZ
Die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e. V. lädt ein (Eintritt frei):
Sonntag, 3.Januar 2016, 15 Uhr,
Bibliothek der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e. V., Seestraße 74, 4. Stock
Am Ende der Veranstaltung Buchausleihe
Die neuen Bücher, auf Wunschzetteln notiert und auf dem Gabentisch entdeckt: jetzt, in den Tagen nach Weihnachten, ist Zeit und Ruhe, sie zu lesen, in ihnen zu versinken, So war es auch schon, als Millionen Mädchen (aber auch Jungen) den Erlebnissen von Nesthäkchen entgegenfieberten.
Diese nachweihnachtliche „Lesezeit“ ist für die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e. V. Anlass, an Nesthäkchens „Mutter“, die Kinderbuchautorin Else Ury zu erinnern: am Sonntag, 3. Januar 2016, 15 Uhr, in der Bibliothek der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e. V., im Samariterstift Seestraße 74, 4. Stock
Die Mutter von Nesthäkchen ist die Berlinerin Else Ury, die erfolgreichste Kinderbuchautorin ihrer Zeit.
In 10 Bänden schrieb sie von 1913 bis 1925 über Annemarie Braun; Nesthäkchens Umwelt war das Berlin der Kaiserzeit und der Weimarer Republik, der Zeitgeist (und Urys Schreibstil): vaterländisch. Ein später nicht mehr verlegter chauvinistischer Fehlgriff war Band 4 „Nesthäkchen im Krieg“ (1916).
Annemarie, das war dieses freche Mädchen aus bürgerlichem Haus, das so artig, aber auch so aufmüpfig war. „Die Hauptsache bei dem kleinen Mädchen sind Ordnung und Betragen, das ist mehr wert als alle ‚sehr gut‘“, kommentiert Annemarie Brauns Mutter die Zensuren ihrer Tochter, als ihr Zeugnis in allen Fächern ein „sehr gut“ ausweist, jedoch in Betragen die Bewertung mangelhaft – weil sie sich bei vermeintlichen Ungerechtigkeiten immer einmischte und den Lehrern unbequeme Fragen stellte. So wollten viele Mädchen sein!
Das Besondere an Urys Nesthäkchen-Büchern
Annemarie darf ihre Eigenheiten behalten. Individualität ist selbstverständlich: Menschen sind unterschiedlich und dürfen es sein. Kinder, die aus der Reihe tanzen, tadelt man zwar, doch der Umgang ist liebevoll und einfühlsam. Weit entfernt also von der damals gängigen „Erziehung“ mit der Forderung nach unbedingtem Gehorsam und der Durchsetzung auch mit Angst und Züchtigung. Bemerkenswert: die Vorbereitung auf die Ehe ist für Mädchen nicht das erste Ziel, Bildung ist wichtiger. All das ist noch keine Reformpädagogik, aber in deren Sinn, nämlich „Erziehung vom Kinde aus“, schon nah dran!
Und wie ist es Else Ury (1877 - 1943) selbst ergangen?
Ihr, die so vaterländisch dachte und schrieb? Dazu stellt Barbara Korsten das Buch von Marianne Brentzel vor „Nesthäkchen kommt ins KZ – Eine Annäherung an Else Ury“. Sie werden erfahren, dass das „Vaterland“ sie ab 1933 aussonderte: ihre Bücher wurden nicht mehr verlegt, Schreibverbot. Sie werden hören von Erniedrigung, Enteignung und Verfolgung, von Flucht, Selbstmord und Mord. Vom Januar 1943 und der Deportationssammelstelle in Berlin, von Else Urys Ankunft am 13. Januar 1943 in Auschwitz – sie war an diesem Tag 65 Jahre, zwei Monate und 13 Tage alt.
„Nesthäkchen“-Bücher haben eine Gesamtauflage von mehr als sieben Millionen Exemplaren. Wenn Sie welche davon zu Hause finden, bringen Sie Ihr Lieblingsbuch mit. Sicher ist darin eine Stelle, die Sie besonders mögen oder gemocht haben: lesen Sie sie am 3. Januar vor, alle freuen sich darauf – und denken an Else Ury!