Opfern eine Identität geben
von Petra Mostbacher-Dix
Stuttgarter Zeitung, 29. März 2005
Besuch des KZ-Gedenkpfads
LEONBERG. Um die Osterzeit 1944 ist das Außenlager des elsässischen Konzentrationslagers Natzweiler in der Leonberger Seestraße eingerichtet worden. Bei einer Führung entlang der sechs Stationen des KZ-Gedenkpfads wurde der Opfer gedacht.
"Andrzej Wtdomski Polak Katholik" ist da in den Stein gemeißelt, der auf dem Alten Friedhof Leonberg steht. "Es ist das Grab eines Zwangsarbeiters, wir haben noch weitere gefunden", erklärt Renate Stäbler von der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg. Polak sei ein Schimpfwort im Nazijargon gewesen, auch Katholik sei bezeichnend. "Denn Leonberg war vor allem evangelisch, das katholische Element brachten die Flüchtlinge nach dem Krieg herein", erläutert Renate Stäbler.
Der Osterspaziergang "Auf den Spuren des KZ Leonberg", der vom Stadtmarketing und vom Stadtarchiv veranstaltet wurde, führte die rund 40 Interessierten entlang des KZ-Gedenkpfads auch in die hinterste Ecke des Friedhofs an das Sammelgrab der im Leonberger KZ Verstorbenen. Auf der Rückseite des von der Kriegsgräberfürsorge aufgestellten Steins heißt es unter anderem: "389 Söhne vieler Völker Europas ruhen hier. Opfer der Gewaltherrschaft in dunkler Zeit." Konkretere Angaben fehlen.
Dass hier einstige KZ-Häftlinge liegen, wird mit keinem Wort erwähnt. Es könnten genauso gut Kriegsopfer gewesen sein. "Das war 1962", so Stäbler. "Da herrschte der Kalte Krieg, man war mit der Aufarbeitung noch nicht so weit." Diese begann in Leonberg 1978, als der Aufsatz "Zur Funktion und Entwicklung der Konzentrationslager - Das Lager Leonberg" des Studenten Jürgen Klingel erschien. Ein Jahr später dann veranstaltete die evangelische Kirche ein Symposium zum KZ, das in Leonberg vom Frühjahr 1944 bis zum April 1945 als Arbeitslager eingerichtet worden war.
Die Häftlinge, die erst aus Natzweiler, später aus Lagern wie Dachau oder Auschwitz kamen, mussten für die Rüstungsfirma Messerschmidt im alten Engelbergtunnel Tragflügel für den Düsenjäger ME 262 fertigen. Nicht nur im Lager, wo auf Grund von Gewalt, Unterernährung und Seuchen der Tod immer unter den Häftlingen war, auch im Tunnel herrschten unmenschliche Bedingungen. Am Eingang der einen Tunnelröhre wird am 8. Mai 2005 die KZ-Gedenkstätte eingeweiht mit einer Tafel, die 2700 Namen trägt. "Es sind etwa 3000 Häftlinge durch das KZ gegangen", sagt Stäbler.
"Jeder von ihnen war nur noch eine Nummer. Wir wollen ihnen ihre Namen wiedergeben." Einiger der gestorbenen Häftlinge ist schon gedacht worden. 1992 wurde in der Blosenbergkirche beim einstigen KZ-Gelände ein "Totengedenkbuch" mit Namen der bis dahin bekannten Toten ausgelegt.