Qualvoller Alltag für Zwangsarbeiter im Leonberger Konzentrationslager

von Christoph Achenbach
Leonberger Kreiszeitung, 7. März 2005

LEONBERG - Ein Jahr lang - von April 1944 bis April 1954 - bestand das Konzentrationslager in der Seestraße in Leonberg. Die unter SS-Aufsicht inhaftierten Männer litten unter täglich zwölf Stunden Zwangsarbeit sowie unter Hunger, Krankheiten und den unmenschlichen Haftbedingungen. Morgen enthüllt die KZ-Gedenkstätteninitiative vor dem südlichen Tunnelportal um 11.30 Uhr eine Namenswand.

Das Leonberger Konzentrationslager entstand im April 1944 als Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof im Elsass. Im Umkreis Leonbergs befanden sich weitere Außenlager: in Vaihingen/Enz, Unterriexingen, Calw und Echterdingen. Sie gehörten ebenfalls zum Netzwerk des Terrors, das von den Nationalsozialisten über Deutschland und den besetzten und annektierten Gebieten in ganz Europa gespannt wurde.

Zwangsarbeiter, die damals in Deutschland "Fremdarbeiter" genannt wurden, wurden bereits 1939 zunächst aus dem Protektorat Böhmen und Mähren, dann aus dem überfallenen Polen nach Deutschland gebracht. Kriegsverlauf und rassenorienterte NS-Ideologie entsprechend, vergrößerte sich der Zugriff auf mögliche Zwangsarbeiter - kaum ein Land blieb verschont.

Im Leonberger KZ kamen die meisten Männer aus osteuropäischen Ländern. Aber auch aus den Benelux-Staaten, Frankreich, Norwegen, Deutschland und Südeuropa waren Männer in Leonberg inhaftiert. Sie kamen aus insgesamt 24 Ländern. Die meisten Zwangsarbeiter wurden aus dem KZ Dachau, das unmittelbar mit der Firma Messerschmitt in Verbindung stand, nach Leonberg überstellt. 30 Prozent der Gefangenen im Leonberger Lager waren Polen.

Es wird davon ausgegangen, dass die meisten von ihnen jüdischen Glaubens waren. Noch im November 1942 hatte Reichsführer SS Heinrich Himmler angeordnet, sämtliche Konzentrationslager im Reichsgebiet "judenfrei" zu machen. Ab Mai 1944 wurden jüdische Häftlinge wegen des Arbeitskräftemangels wieder nach Deutschland transportiert.

Entscheidend für die Entstehung des KZ Leonberg war der vor den alliierten Bombenangriffen Schutz bietende Autobahntunnel durch den Engelberg. Hier mussten die über 3000 Zwangsarbeiter in zwei Schichten zu je 1500 Mann Tragflächen für den Strahljäger Messerschmitt 262 herstellen. Zunächst wurde mit Hilfe der ersten Zwangsarbeiter das provisorische Lager in der oberen Seestraße errichtet. Das neue Lager wurde ab Herbst 1944 aufgebaut. Dort sollten nach Plänen des Architekten Unterkünfte für 1000 Häftlinge entstehen, in denen im Verlauf des einen Jahres über 3000 Männer zusammengepfercht wurden. Sie wurden von 60 Personen bewacht.

Der Jäger Me 262 galt als Wunderwaffe, mit der die alliierte Luftüberlegenheit beendet und die Wende zum "Endsieg" herbeigeflogen werden sollte. Die Produktion von Tragflächen lief nach diversen Vorarbeiten im und vor dem Tunnel wohl erst im Juli 1944 an. Frühestens ab Dezember 1944 konnten die Zwangsarbeiter im Tunnel Toiletten benutzen. Die sanitären Verhältnisse wurden bis Kriegsende nicht verbessert. Im Lager selbst war die Situation ab Dezember 1944 wegen der Überbelegung besonders schlimm. Die Folge: Fleckfieber und Typhus brachen unter den Häftlingen aus.

Die Häftlinge bekamen trotz ihrer schweren körperlichen Arbeit kaum Nahrung. Bis auf die Knochen abgemagert, wurden sie in den Engelbergtunnel - viele in den Tod - getrieben. 389 Tote sind für das KZ Leonberg nachgewiesen. Viele der ausgezehrten Männer ließen noch im April 1945, als die französische Armee auf dem Anmarsch war, auf den Todesmärschen nach Bayern ihr Leben.

Einem Luxemburger Natzweiler-Häftling war es gelungen, drei von sechs Nummernbücher vor den Nationalsozialisten zu retten. Bei Kriegsende versuchten die NS-Schergen alle Spuren und Dokumente, die auf die Täter schließen ließen, zu vernichten. Durch diese Bücher wurden aus den Nummern wieder Namen.

Die Zufahrt zur Tunnelstraße und dem alten Autobahnparkplatz vor dem Engelbergtunnel ist vor und während der Enthüllung gesperrt. Pkw-Fahrer werden gebeten, den Festplatz Steinstraße oder den Parkplatz an der Gerlinger Heide zu benutzen. Nach der Veranstaltung kann am Tunneleingang eine Ausstellung mit Gegenständen aus dem Leonberger KZ wie aus der Messerschmitt-Produktion besichtigt werden.


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