Rundbrief KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg Oktober 2010
Unter dem Gesamtthema „Zum Gedenken an die neunzehn Euthanasieopfer aus Leonberg“ veranstaltet die KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V. in Verbindung mit der Evang. Erwachsenbildung Leonberg und unter Beteiligung der Volkshochschule Leonberg ab 11. Oktober eine Vortragsveranstaltungsreihe. Gleichzeitig ist von 11. Oktober bis 12. November im Haus der Begegnung eine eigens dafür geschaffene Ausstellung zu diesem Thema zu sehen. Seit über einem Jahr hat ein Arbeitskreis unserer Initiative die Ausstellung wie die Veranstaltungsreihe vorbereitet.
A. Die Veranstaltungen in Übersicht (Einzelheiten im Flyer)
Von 11. Oktober bis 12. November ist eine umfangreiche Ausstellung über „Euthanasieopfer aus Leonberg“ im Haus der Begegnung, Eltingerstraße 23, zu sehen.
Montag, 11. Oktober, 19.00 Uhr, Haus der Begegnung:
Informationsveranstaltung zur Eröffnung einer Ausstellung über das Schicksal von 19 Leonberger Euthanasieopfern (Näheres Flyer)
(Thomas Stöckle, Leiter der Gedenkstätte Grafeneck; Leonberger Arbeitsgruppe: Linde Beer, Eberhard Hudelmayer, Eberhard Röhm, Wolfgang Schiele, Hildrun Schlicke)
Montag, 18. Oktober, 19.30 Uhr, Haus der Begegnung:
Der Menschenzüchtungswahn in der Vergangenheit der Deutschen
Vortrag von Klaus Beer mit anschließender Aussprache / (Näheres Flyer)
Samstag, 23. Oktober, 13.00 bis gegen 19 Uhr:
Halbtagesfahrt zur Gedenkstätte Grafeneck
(Näheres Flyer)
Sonntag, 24. Oktober, 10.00 Uhr, Stadtkirche:
Ökumenischer Gottesdienst zum Gedenken an die Leonberger Euthanasieopfer
Predigt: Dekan a. D. Dr. Hartmut Fritz / (Näheres Flyer)
Donnerstag, 29. Oktober, 19.30 Uhr, VHS Leonberg:
Euthanasie in Württemberg: Täter – Verstrickte - Widerstand
Vortrag Dr. h.c. Eberhard Röhm / (Näheres Flyer)
Mittwoch, 10. November, 19.30 Uhr, Versöhnungskirche Ramtel:
Erinnern statt vergessen – nie wieder Euthanasie! Täter und Opfer
Szenische Lesung der Theatergruppe Kandel Leonberg / (Näheres Flyer)
B. Wie es zu der Ausstellung und der Veranstaltungsreihe kam
In diesem Jahr jährt sich zum 70. Mal der Mord an mehr als 10.000 Kranken in dem von der Samariterstiftung beschlagnahmten Behindertenheim Grafeneck. Die Anregung zur Erforschung der aus Leonberg stammenden neunzehn Opfer kam vom Vorstandsvorsitzenden der Samariterstiftung Dr. Hartmut Fritz, Gründungsmitglied unserer Initiative.
Zum ersten Mal nach 70 Jahren wird der neunzehn Opfer aus Leonberg öffentlich mit einer umfangreichen Ausstellung und einer begleitenden Veranstaltungsreihe in Leonberg gedacht, wie dies bisher vermutlich in keiner Stadt Baden-Württembergs in dieser Form geschehen ist.
Mitglieder einer eigens gebildeten Geschichtswerkstatt (Linde Beer, Klaus Beer, Dr. Hartmut Fritz, Dr. Karl Grob, Eberhard Hudelmayer, Reinhard Pfeffer, Dr. Eberhard Röhm, Wolfgang Schiele, Dr Hildrun Schlicke) haben seit einem Jahr mit Unterstützung der Gedenkstätte Grafeneck, durch Befragungen von Familien sowie durch Auswertung von Patientenakten aus Bundesarchiv, Landesarchiv und den Archiven kirchlicher Heilanstalten nach Namen von Euthanasieopfern aus Leonberg und seinen Teilorten geforscht. Auf diese Weise konnte das Schicksal von neunzehn Bürgerinnen und Bürgern, die aus Leonberg stammten und Opfer der „Euthanasie-Mord-Aktion“ wurden, aufgeklärt werden.
Die Patienten waren zuletzt in den staatlichen Heilanstalten Winnenthal, Weinsberg, Weissenau und Zwiefalten, sowie in den kirchlichen Heilanstalten Stetten im Remstal, Mariaberg bei Reutlingen und Schwäbisch Hall bzw. der privaten Heilanstalt Christophsbad/Göppingen untergebracht und wurden in den Tötungsanstalten Grafeneck und Hadamar bzw. in der Heilanstalt Zwiefalten ermordet.
In der mit einer Informationsveranstaltung am 11. Oktober eröffneten Ausstellung wird mit neun Tafeln die Geschichte von Grafeneck dargestellt. Zwölf Tafeln, die eigens für diese Ausstellung entworfen wurden, sind unter Verwendung des umfangreichen Archivmaterials dem Schicksal einzelner Leonberger Opfer gewidmet. Dabei geben wir zugleich Einblick in die dramatische Geschichte der jeweiligen Einrichtungen im Jahr 1940.
Die Mordaktion wäre nicht denkbar gewesen ohne den „Menschenzüchtungswahn in der Vergangenheit der Deutschen“. Über die NS-Erbgesundheitspflege und die damals herrschende Rassenideologie wie auch über die Zwangssterilisierungen wird Klaus Beer in seinem Referat am 18. Oktober berichten. Er war während seiner Richtertätigkeit im Rahmen von Wiedergutmachungsprozessen mit dieser Thematik befasst.
Über die „Täter“ wird gesprochen im Vortrag von Eberhard Röhm am 28. Oktober in den Räumen der Volkshochschule. Dabei wird auch dargestellt, wie Mitarbeiter der Heilanstalten gezwungenermaßen zu Mittätern wurden. Außerdem geht der Referent auf zwei aus Leonberg stammende unmittelbar Mitverantwortliche ein: Den aus Gebersheim stammenden württembergischen Innenminister Jonathan Schmid, in dessen Ministerium mit Dr. Eugen Stähle, dem Leiter des württembergischen Gesundheitsdienstes, und mit Dr. Otto Mauthe, dem Berichterstatter für das Irrenwesen, sich die Schaltzentrale für die Morde in Südwestdeutschland befand. Der zweite Mittäter ist der Warmbronner Bauernsohn und Kriminalbeamte Gottlieb Hering. Er gehörte seit September 1940 zu den Mitarbeitern der T4-Zentrale und leitete das Sonderstandesamt der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein, später war er Verwaltungsleiter der Tötungsanstalt Hadamar, in der zwei Frauen aus Leonberg umgebracht wurden.
Am Sonntag 24. Oktober, 10 Uhr, findet in der Stadtkirche Leonberg ein ökumenischer Gottesdienst statt, in dem der Leonberger Opfer namentlich gedacht wird. Die Predigt hält Dekan a.D. Dr. Hartmut Fritz.
Die Veranstaltungsreihe wird abgeschlossen mit einer eindrücklichen szenischen Lesung zur Erinnerung an das Euthanasiegeschehen in der Versöhnungskirche im Ramtel am Mittwoch, 19. November, 19.30 Uhr. Eine Theatergruppe aus elf Erwachsenen aus Leonberg, die sich seit Jahren mit der Regisseurin und Schauspielerin Katja Kandel trifft, hat anhand authentischer Dokumente ein Manuskript erarbeitet, das unter großer Beachtung in den letzten Jahren schon in Stuttgart, Ulm, Herrlingen, Markgröningen, Zwiefalten, Ellwangen und Gerlingen aufgeführt wurde.
Die umfangreichen Nachforschungen in Archiven, vor allem aber die Herstellung der Ausstellungstafeln war mit nicht geringen Kosten verbunden. Wir sind darum dankbar für Spenden auf das Spendenkonto der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V.: Nr. 8 112 426 bei der KSK Böblingen (BLZ 603 501 30). Stichwort „Ausstellung“. Spendenbescheinigung.
Ansprechpartner:
Dr. Eberhard Röhm, Vorsitzender der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg e.V.,