Stabwechsel unter unruhigem Horizont

von Sibylle Schurr
Eberhard Röhm geht als Vorstand der KZ-Gedenkstätte-Initiative.
Der Streit mit der Stadtverwaltung bleibt.
Leonberger Kreiszeitung, 13. März 2012

Es ist ein einschneidender Schnitt für die Leonberger KZ-Gedenkstätten-Initiative. Eberhard Röhm, Pfarrer a. D., renommierter Religionspädagoge und Gründer der Initiative ist nicht mehr Erster Vorstand. Ganz von der Verantwortung lassen kann und will er trotz Krankheit nicht. Denn der Streit mit der Stadtverwaltung, der mit der Einladung des Journalisten Robert Andreasch entflammt ist, scheint noch längst nicht gelöscht.

Röhm ist nun Vize-Vorstand, an erste Stelle rückt Marei Drassdo, die bisherige Stellvertreterin. Ihre Kompetenz hat die Lehrerin bereits unter Beweis gestellt, sie hat Eberhard Röhm in den vergangenen Monaten vertreten - und die waren durchaus bewegt. Nicht ganz einfach sei es gewesen, „plötzlich in den Mittelpunkt des Geschehens geworfen“ zu werden, bekannte Drassdo. Zumal der Initiative ein kräftiger Wind ins Gesicht blies. Seit der Einladung des Referenten Robert Andreasch zum Holocaust-Gedenktag im Januar ist das Verhältnis mit der Stadt zerrüttet.

Der Münchner Journalist, ein investigativ arbeitender Beobachter und Kritiker des wieder erwachten Neonazismus, ist nicht unumstritten. Er wirft vor allem Politik, Justiz und Polizei vor, auf dem rechten Auge blind zu sein und belegt das mit vielen Beispielen. Längst sei der Neonazismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Die Leonberger Stadtverwaltung wollte da nicht Mitveranstalter sein - vor allem weil es bei der vorherigen Veranstaltung mit Andreasch zu Randalen zwischen Links und Rechtsextremen gekommen war. „Es ist eine richtige Hysterie entstanden“, kritisieren die Mitglieder der KZ-Initiative bei der Analyse der Geschehnisse. „Angst ist immer ein schlechter Ratgeber“, wurde in der Mitgliederversammlung festgestellt.

Die Veranstaltung mit Andreasch wurde aus dem Stadtmuseum ausgelagert und in die Blosenbergkirche verlegt. Die Veranstaltung verlief ruhig, neben Landtagsabgeordneten und Gemeinderäten war der CDU-Bürgermeister Ulrich Vonderheid als Vertreter der Rathausspitze zu Gast und durfte sich massive Kritik anhören.

Froh ist man über Rückendeckung aus der Bürgerschaft und den Kirchen gewesen: „Es war richtig, dass wir Rückgrat bewiesen haben“, stellt die neue Vorsitzende im Rückblick fest. Doch wie soll es weitergehen, zwischen Stadtverwaltung und Initiative? Diese Frage beschäftigte die Mitglieder in der Diskussion besonders. „Wir müssen uns wieder auf gleicher Augenhöhe begegnen können“, wünscht sich Eberhard Röhm. Was ihn persönlich besonders schmerzt, dass man bei der Stadtverwaltung nicht erkannt hat, oder erkennen will, dass „geballter Sachverstand auch im Kampf gegen Neonazismus“, bei der Initiative angesiedelt sei.

„Der nächste Holocaust-Gedenktag kommt“, resümieren die Mitglieder. Was werde passieren, denn bisher wurden die Gedenktage gemeinsam mit der Stadt ausgerichtet. Tief ist der Graben, der in den Wochen vor dem Gedenktag am 27. Januar aufgerissen wurde. Das Verhalten der Stadt sei in vielen Dingen „völlig unverständlich“.

Ein Gesprächsangebot von Seiten der Stadtverwaltung kurz nach der Veranstaltung hat Eberhard Röhm zunächst abgelehnt, mit dem Hinweis, dass zuvor in der Mitgliederversammlung diskutiert werden müsse. Aus deren Mitte ging der Auftrag an den Vorstand hervor, das Gespräch mit der Stadtverwaltung zu suchen, allerdings unter gewissen Vorzeichen in dieses Gespräch zu gehen. Tief getroffen hat die Initiative die Bemerkung des OB, dass sie „Gewalt zumindest billigend in Kauf“ nehme. Ein Vorwurf, der zurecht gerückt werden müsse, meinen die Mitglieder.

Gerade die KZ-Initiative habe sich mit ihrer pädagogischen Arbeit stets um Aussöhnung bemüht und Friedfertigkeit gelehrt: Die Bilanz ist mit mehr als 1200 Menschen, die an Führungen auf dem KZ-Gedenkpfad oder anderen Veranstaltungen teilgenommen haben, sehr respektabel. Die neuen pädagogischen Konzepte stoßen bei jungen Leuten auf positive Resonanz. „Diesen Weg sollten wir weitergehen“, machte Röhm seinen Mitstreitern Mut.


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