Tafeln geben den einst Namenlosen einen Namen

von Arnold Einholz
Leonberger Kreiszeitung, 19. Februar 2004

LEONBERG - Die KZ-Gedenkstätteninitiative hat eine große Hürde genommen auf dem Weg für ein Mahnmal, das an die Schrecken und Leiden von tausenden ehemaligen Häftlingen erinnert. Der Gemeinderat hat am Dienstag zugestimmt, dass am Eingang des alten Tunnels Tafeln mit den Namen der Häftlinge angebracht werden.

Wie bereits vom Planungsausschuss vorgeschlagen, soll auch eine weitere ausführliche Informationstafel vor dem Tunneleingang aufgestellt werden, die die Flugzeugproduktion im Tunnel und die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der KZ-Häftlinge dokumentiert. Die Einzelheiten der Gestaltung solle die Stadtverwaltung im Einvernehmen mit der Gedenkstätteninitiative regeln, so der Beschluss.

Mit dem eindeutigen Votum des Gremiums hat sich die KZ-Gedenkstätteninitiative gegen die Stadtverwaltung durchgesetzt, die dem Gemeinderat vorgeschlagen hatte, den Antrag der Initiative abzulehnen. Die Verwaltung hatte eine namentliche Ehrung der Toten an dem Grab auf dem Friedhof in der Seestraße vorgeschlagen. Zudem sollte das Friedensmahnmal im Stadtpark stärker bei den Veranstaltungen zur Erinnerung an die Opfer des KZ Leonberg berücksichtigt werden.

Auch sollte eine lebendige Erinnerungskultur gepflegt werden mit Vorträgen und Begegnungen mit Überlebenden und deren Kindern. Nicht durchsetzen konnte sich die Gedenkstätteninitiative mit ihrem Vorschlag, neben den Namenstafeln auch ein Denkmal in Form eines Wachturms im Eingangsbereich des Tunnel aufzustellen. Diesen Vorschlag machte GABL-Stadtrat Eberhard Schmalzried zum Antrag. Er fand aber keine Mehrheit im Gremium.

Für die CDU-Fraktion machte Kurt Vestner deutlich, dass zu den Namenstafeln und der Informationstafel keine weiteren baulichen Elemente hinzukommen dürften. Das renaturierte Gelände der alten Autobahn, zu dem auch der alte Tunnel gehört, sollte für zukünftige städtebauliche Planungen offen bleiben.

Mit der geplanten Gedenkstätte am alten Autobahntunnel werde an tausende Menschen erinnert, die bisher namenlos waren oder nur Nummern, betonte Christa Weiß von der SPD-Fraktion.


Nachdenkstätte - Kommentar von Arnold Einholz

Gedenken soll an den Orten des Entsetzens und des Widerstandes stattfinden, hat es die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schawan formuliert. Der Leidensweg tausender ehemaliger KZ-Häftlinge aus ganz Europa hat in Leonberg viele Stationen. Gelitten und gestorben wurde im Gestapo-Gefangenenlager in der Rutesheimer Straße, im Lager auf dem Gelände des heutigen Samariterstiftes, in dem Rüstungswerk im alten Tunnel.

Leonberg brauchte lange, um das Schreckliche, das hier passiert ist, einzugestehen. So ist entlang des Leidensweges tausender Unschuldiger ein Weg des Gedenkens mit einigen Stationen entstanden. Das Kreuz auf dem Blosenberg erinnert an die erste Ruhestätte hunderter Häftlinge. Der Stein im Samariterstift markiert den Ort des ehemaligen Lagers. Der Gedenkstein im Friedhof an der Seestraße erinnert an die hier umgebetteten anonym gebliebenen Toten. Im Stadtpark mahnen Steine zum Frieden, und der Weg der Erinnerung führt zu einer Stätte, wo einst Menschen unmenschlich ausgebeutet wurden - dem alten Autobahntunnel.

Die vielen Stationen auf diesem Leidensweg sind markant als Orte der Willkür und des Grauens gekennzeichnet. Wenn alle Orte, wo der Schrecken unmenschlich herrschte, beim Namen genannt werden, ist das einprägsamer für die Erinnerung als nur ein symbolisches Mahnmal. So ist es nur logisch, dass auch der alte Tunnel in diesem Weg des Leidens aufgenommen wird und ihn beginnt oder beendet.

Bei Tagen der Begegnung mit ehemaligen Häftlingen führt der erste und letzte Gang immer hinauf zum Tunnel. Für die "Nachdenkstätte", die hier entstehen soll, braucht es im Gegensatz zu gebräuchlichen Denkmälern keine "Gebrauchsanweisung". Die Tafeln mit den vielen tausend Namen der einstigen Namenlosen, die eine menschenverachtende Diktatur zu Nummern degradiert hatte, benötigen keine Erläuterung.


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