Wie ein kreativer Geist ein Martyrium übersteht

Kamil Pixa ist einer der letzten KZ-Häftlinge gewesen,
Monica Mather und Renate Stäbler haben sein Leben dokumentiert.

Es ist einer der letzten, bekannten Überlebenden des KZ Leonberg gewesen: Kamil Pixa. Sein Sohn Kim Pixa hat jetzt den Ort aufgesucht, an dem sein Vater die wohl schwerste Zeit in seinem Leben verbracht hatte. Kamil Pixa ist zwar mit 85 Jahren schon vor genau zwei Jahren in einem Krankenhaus in Prag gestorben, aber erst jetzt hat sein Sohn die Kraft für den Weg nach Leonberg gefunden. Zum zweiten Jahrestag haben Monica Mather und Renate Stäbler an der Namenswand vor dem alten Engelbergtunnel mit Kim Pixa an seinen Vater erinnert.

Die beiden Frauen von der KZ-Gedenkstätteninitiative haben Vater und Sohn bei der Einweihung dieser Namenswand im Juni 2005 kennengelernt. Die Verbindung nach Leonberg kam so: Ein Sammler hatte der Initiative die Kopie einer Postkarte aus dem Jahr 1944 überlassen, die an Kamil Pixa im KZ Leonberg adressiert war und den Hinweis enthielt, er sei zuvor im KZ Dachau gewesen. Über die Gedenkstätte Dachau und den Prager Kreis ehemaliger Deportierter wurde er identifiziert. Er nahm dann eine Einladung der KZ-Gedenkstätteninitiative an.

Während Vater und Sohn im Juni 2005 Leonberg besuchten, erzählte Kamil Pixa die Geschichte seines Lebens. Seine Vorfahren waren aus Venedig nach Böhmen gekommen und handelten mit Reliquien. Von den klerikalen Bindungen und Geschäften distanzierte sich jedoch sein Vater, Jaroslav Pixa, bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Der intellektuelle Atheist mit dichterischer Neigung war sozialdemokratischer Abgeordneter und Gewerkschaftsvorsitzender, nach 1945 der Leitende Staatsbeamte in Böhmen. Kamils Mutter war die Schauspielerin Milada Pixa.

Nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich, der unter anderem Chef des Reichssicherheitshauptamts war, wurde die Familie verfolgt. Obwohl die Familie Pixa mit dem Attentat nichts zu tun hatte (es war von tschechischen Emigranten in England organisiert worden), versuchte die Gestapo aller Familienangehörigen habhaft zu werden. Der Vater entkam, aber Mutter und Sohn wurden im KZ Theresienstadt inhaftiert. Kamil wurde im März 1943 in das KZ Dachau gebracht. Dort machte Pixa die Bekanntschaft des Schauspielers Erwin Geschonnek, der Vater des berühmten Regisseurs gleichen Namens - eine prägende Bekanntschaft, wie sich zeigen sollte.

Nachdem Pixa nach Leonberg verlegt worden war, arbeitete er beim Bombenentschärfungskommando. Nach der Auflösung des Kommandos mussten alle Mitglieder Zwangsarbeit in der Tunnelfabrik von Messerschmitt leisten und Hunger, Kälte, Schlafentzug, Schikanen und Prügel durchstehen. Gegen Ende der Leidenszeit im Tunnel verrieten deutsche Arbeiter den Häftlingen, dass der Tunnel zum Schluss mit ihnen zusammen gesprengt werden solle. Das veranlasste Kamil Pixa zu einem Fluchtversuch, der allerdings scheiterte.

Nach dem Kriegsende ging Kamil Pixa zurück nach Prag. Schon in den ersten Nachkriegsjahren wandte er sich dem Filmemachen zu. Sein erster Film war „Das Attentat auf Heydrich“, 1948. Er arbeitete bei der tschechischen Filmgesellschaft Kratku-Film, drehte Kurz-, Trick- und Puppenfilme. Bis ins hohe Alter bliebe er ein kreativer, rastloser Geist. 2006 ist er dann schwer erkrankt, sein heute 29 Jahre alter Sohn aus dritter Ehe, Kim, pflegte ihn zwei Jahre lang sehr intensiv. Er musste miterleben, wie sein Vater in der Schlussphase der Krankheit von der Vergangenheit eingeholt wurde und er sie mit ihren Schrecken nochmals durchlitt.


zurück