Wir wollen die Geschichte begreifbar machen

von Ute Jenschur
Bei der Gestaltung des KZ-Mahnmals „Haus der tausend Namen“ wirken fast 300 Jugendliche mit.
Leonberger Kreiszeitung, 4. März 2013

Es ist ein besonderes Jahr für die Leonberger KZ-Gedenkstätte, die seit dem vergangenen Wochenende wieder geöffnet hat: Am 9. Mai wird vor dem alten Engelbergtunnel das „Haus der tausend Namen" eingeweiht. Es ist den letzten Häftlingen gewidmet, die noch 1945 nach Leonberg zur Zwangsarbeit deportiert wurden.

Bereits 2005 wurde das erste Mahnmal mit rund 3000 Namen errichtet. Weitere 1000 ehemalige Häftlinge konnten die Mitglieder der KZ-Gedenkstätteninitiative seither zusätzlich recherchieren.

Etwa 1000 Menschen aus dem ehemaligen KZ Leonberg sind noch unbekannt. In den Röhren des Engelbergtunnels produzierten insgesamt fast 5000 Menschen die Tragflächen des ersten Düsenjägers Me 262. Noch ist nicht viel mehr zu sehen vom neuen Mahnmal als ein stählernes Gerüst. Die Skulptur stellt ein abstraktes Haus aus verschweißten Rundeisenprofilen dar. Es wird 1000 unterschiedlich große Namensbleche beherbergen.

Im Gegensatz zu den maschinell eingeprägten Namen auf dem ersten Mahnmal werden sie dieses Mal unter Anleitung des Künstlers Johannes Kares von Leonberger Schülern eingestanzt. In einem Jugendcamp vom 29. April bis zum 8. Mai wandelt sich der Platz vor dem Tunneltor dafür zum großen Jugendcamp. Zelte mit Tischen werden mehr als 280 Schülern als Rahmen für einen lebendigen Geschichtsunterricht dienen. So viele haben sich bis heute bereits angemeldet. „Es könnten sogar noch mehr werden", sagt Marei Drassdo, die Vorsitzende der Leonberger KZ-Gedenkstätteninitiative.

„Wir wollen mit dieser Aktion die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes für die Jugendlichen begreifbar machen." Ursprünglich sollte am 7. Mai Schluss sein mit dem Camp. Aufgrund der großen Nachfrage wird jetzt aber bis zum 8. Mai an den Tafeln gearbeitet. Ehemalige KZ-Häftlinge werden zur Eröffnung aus ganz Europa an den Engelberg reisen, um mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen.

Für die Zukunft sind weitere Aktionen geplant, um Jugendlichen einen lebendigen und zeitgemäßen Geschichtsunterricht zu bieten. In einem Pilotprojekt der Leonberger KZ-Gedenkstätteninitiative und der Landeszentrale für politische Bildung entsteht bis September ein Konzept zum Geocaching, ein elektronisches Suchspiel. Die Koordinaten der Verstecke auf dem großen Gelände rund um die Gedenkstätte werden mit einer speziellen App per Smartphone abrufbar sein.

An den verborgenen Orten warten spannende Aufgaben, die von den Jugendlichen gelöst werden müssen. Später soll das Geocaching anderen KZ-Gedenkstätten angeboten werden, um es zur Bereicherung von Führungen für Schulklassen einzusetzen. Und auch für 2014 gibt es schon Ideen der Gedenkstätteninitiative: Schüler des Gerlinger Robert-Bosch-Gymnasiums planen ein Theaterstück über das Leonberger KZ. Es heißt „Über dem Berg" und wird im Februar 2014 in der Steinturnhalle in Leonberg aufgeführt.

Die Schüler haben am Wochenende die Dokumentationsstätte im alten Engelbergtunnel besucht und sich über das KZ Leonberg informiert. Dabei sind sie die Strecke von Gerlingen über den Berg nach Leonberg zu Fuß gegangen, um den Weg nachzuvollziehen, den die Wachleute, die damals in Gerlingen wohnten, jeden Tag zu ihrer Arbeitsstätte zurückgelegt haben.

Öffnungszeiten der Gedenkstätte: Jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr.
Führungen finden nach Vereinbarung statt.


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