Zwei Weltkonzerne wollen in der Röhre vom alten Engelbergtunnel Lichttests machen

von Gotlinde Bachmayer
Leonberger Kreiszeitung, 10. Mai 2002

Der alte Engelbergtunnel lockt nach den Absagen der Stadt Leonberg für Jugendfeten und Kulturzentrum völlig neue Interessenten an. Daimler Crysler will die offen gelassene Röhre des ehemaligen Autobahntunnels für die nächsten vier Jahre mieten.

Lang muss die Strecke sein, 150 Meter mindestens, und dazu stockdunkel. Ein Tunnel, der in einer Sackgasse endet, muss es sein. Präzise sind die Vorstellungen von DaimlerCrysler in Sindelfingen und Bosch in Leonberg. Die alte Röhre vom Engelbergtunnel haben sie sich ausgeguckt für ihre Lichttests mit neuartigen Scheinwerfern. Im Sommer bereits soll die Sache perfekt sein.

"Entschieden ist noch nichts, wir haben Interesse und prüfen gerade.'' Rainer Hangleiter, bei DaimlerCrysler, Standort Sindelfingen, zuständig für Anmietungen, bestätigte auf Nachfrage die mögliche Nutzung der alten Röhre. Bei bislang drei Vor-Ort-Terminen mit Vertretern der Stadt Leonberg war er einmal mit im Tunnel. Er sieht die Vorteile wie die Nachteile. "Für die Tests wird ein Fahrzeug hineingefahren, dann muss es absolut dunkel sein für die Prüfung des Scheinwerferlichts.''

Kein Problem in der etwa 290 Meter langen Weströhre des alten Engelbergtunnels, die seit Eröffnung des neuen Engelbergbasistunnels am Nordportal Richtung Gerlingen zugefüllt ist und im Süden, nach Leonberg hin, durch ein großes Tor versperrt ist. Die über 300 Meter lange Oströhre wurde bereits mit dem Aushub des neuen Tunnels (Gesamtlänge 2520 Meter) verfüllt.

Keine Fluchtmöglichkeiten, "das muss gelöst werden, wenn unsere Leute dort zeitweise - teilweise auch zwei bis drei Wochen am Stück - arbeiten'', betont Rainer Hangleiter. "Die Röhre ist 300 Meter lang, und es gibt nur einen Zugang - wir müssen aus Sicherheitsgründen hinten aufmachen oder im Tunnel längs eine Trennung einbauen.''

Abifeten, Disco, Kulturzentrum, Gedenkstätte für das Leonberger Konzentrationslager, einer Nebenstelle des KZ Natzweiler im Elsass (der Antrag der Leonberger KZ-Initiative liegt auf dem Rathaus) - viele Wünsche gab und gibt es nachdem die Röhre zu ist und die Leonberger Bürger am 11. September 1998 auf der stillgelegten Trasse und im ältesten Autobahntunnel Deutschlands feierten. Dort, wo noch wenige Tage zuvor über 100 000 Autos täglich auf der A 81 donnerten. Eine stadtnahe Umgehungsstraße durch die Röhre hatte der Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt, die Betonpisten wurden herausgerissen, der Bereich zum alten Tunnel hoch - noch immer im Besitz des Bundes - renaturiert.

Mit ausgelassenen Feten der Jugend derweil klappt das nicht in der Röhre. Baubürgermeisterin Inge Horn überraschte im März 2001 im Gemeinderat mit einer schlechten Nachricht: Im abgeschlossenen Raum haben sich Schimmelpilze breit gemacht, und deren Sporen sind ein Gesundheitsrisiko für Menschen mit Atemwegsproblemen. Im April 2001 fiel die Entscheidung im Familienausschuss: Die Weströhre steht vorläufig für eine öffentliche Nutzung nicht zur Verfügung. Im Blick auf die Finanzlage der Stadt seien Schadstoffbeseitigung, Tunnelsanierung und Geländesicherungsmaßnahmen, dazu jährliche Unterhaltungskosten von 25 000 Euro nicht tragbar. Bürgermeisterin Horn schätzt, dass rund 50 000 Euro nötig sind, "wenn wir die Röhre dann und wann nutzen''. Nicht zu vergessen die Kosten fürs Aufräumen.

In Fraktionssitzungen des Gemeinderates und in nicht öffentlicher Sitzung des Verwaltungsausschusses wurde jetzt die neueste Nutzungsmöglichkeit diskutiert: DaimlerCrysler will die Röhre für vier Jahre von der Stadt anmieten für Beleuchtungstests. Was bislang auf der Alb unter den Augen vieler neugieriger Zuschauer passiert, soll künftig dort getestet werden, wo die Scheinwerfer entwickelt werden, bei Bosch (MotoMeter) in Leonberg.

"Drei Termine gab es an Ort und Stelle, und jedesmal war ein Dutzend Leute dabei, aus allen Fachbereichen.'' Lutz Lemke, Leiter des Amtes für Liegenschaften bei der Stadt Leonberg, betont, dass baurechtlich gesehen dieser Nutzung nichts im Wege stehen würde. Die geschotterte Zufahrt zum alten Tunnel hoch würde wohl genügen, meint er. Für das Herrichten und den Unterhalt der Röhre müsse bei Vertragsabschluss DaimlerCrysler aufkommen. Ebenso für die Öffnung (Lüftungsschacht) auf der anderen Tunnelseite, damit Frischluft zirkulieren kann. Lemke: "Das Manko ist die schlechte Belüftung, in der warmen Jahreszeit bildet sich Feuchtigkeit an den Wänden.''

Ob der Pilzbefall beseitigt wird, da ist sich Lemke nicht so sicher. Für die Streulichttests würden stumpfe Flächen benötigt, matte, die nicht reflektieren. Allerdings kann sich der Amtsleiter eher vorstellen, dass zwei so große Firmen sehr vorsichtig mit dieser Sache und dem Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter umgehen. Sie könnten ihre Lichttests auch in einem Salzstock machen, wurde bei einem Vor-Ort-Termin erwähnt. Das Auto könne man danach allerdings vergessen.

Weshalb sollte eine befristete Nutzung durch DaimlerCrysler nicht möglich sein, räumt Bürgermeisterin Inge Horn ein. Sie kann sich auch ein Miteinander mit dem Projekt der KZ-Gedenkstätteninitiative vorstellen. Allerdings sei es eine Grundsatzentscheidung, ob "wir noch eine Gedenkeinrichtung wollen''. Horn: "Wir müssen über die Trasse insgesamt nachdenken, auch im Rahmen der Stadtentwicklungsplanung.''


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