Rechenschaftsbericht des Vorstands für das Jahr 2005
Die Aktivitäten unserer Initiative standen im Jahr 2005 ganz im Zeichen des Baus und der Einweihung der Namenswand und der damit zusammenhängenden Einladung an die ehemaligen Häftlinge und ihre Angehörigen am 7./.8. Mai. Wir erlebten den bisherigen Höhepunkt unserer Vereinsgeschichte.
1. Die Einweihung der Namenswand am 8. Mai sowie der Kontakt zu den ehemaligen Häftlingen und ihren Angehörigen
Am 8. Mai letzten Jahres, 60 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft, hat die KZ-Gedenkstätteninitiative vor dem alten Engelbergtunnel eine Gedenkstätte in Gestalt der von Johannes Kares entworfenen Namenswand mit nahezu 3000 Namen ehemaliger KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter eingeweiht. Hinter dieser nüchternen Feststellung verbirgt sich eine ungeheure Anstrengung, an der Viele Anteil haben. Die Realisierung ist termingerecht gelungen trotz aufgetretener technischer Schwierigkeiten. Auflagen des Statikers führten zu einer wesentlichen Verteuerung, sodass die Wand statt geplanter 50.000 EURO endgültig 70.000 EURO kostete. (Mehrkosten 19.253,70 EURO) Dennoch ist sie bezahlt.
Die Einweihung fand im Rahmen der Einladung ehemaliger Häftlinge und ihrer Familien und unter Anteilnahme einer großen Öffentlichkeit statt. Elf ehemalige Häftlinge konnten zusammen mit ihren Angehörigen der gemeinsamen Einladung der KZ-Gedenkstätteninitiative und des Oberbürgermeisters der Stadt Leonberg folgen, ebenso die Angehörigen von 14 inzwischen verstorbenen oder schwer kranken ehemaligen KZ-Häftlingen und Gestapohäftlingen. Insgesamt waren mehr als hundert Gäste aus Deutschland, Frankreich, Italien, Israel, den Niederlanden, Russland, Slowenien, Tschechien, der Ukraine und aus Ungarn nach Leonberg gekommen. Die ersten kamen schon am Donnerstag, 5. Mai, die letzten verließen Leonberg am Freitag, 13. Mai.
Es gab ein umfangreiches Rahmenprogramm: Die Begrüßung durch den Oberbürgermeister im Rathaus, den Gang auf den Friedhof Seestraße und den Begegnungsabend im Haus der Begegnung am Samstag. Am Sonntag einen ökumenischen Gottesdienst, den eigentlichen Festakt vor dem Engelbergtunnel mit Ansprachen von Oberbürgermeister Schuler, von Landrat Maier und für die ehemaligen Häftlinge von Albert Montal sowie vom Vorsitzenden der KZ-Gedenkstätteninitiative, schließlich ein gemeinsames Essen in der Stadthalle.
Zum Begleitprogramm gehörten eine umfangreiche Ausstellung im Tunnel mit Informationen über das KZ und authentischen Gegenständen sowie die eigens aus Anlass der Einweihung hergestellte Broschüre „Stationen auf dem Weg der Erinnerung“.
Die ehemaligen KZ-Häftlinge Mordechai Nojovits mit seinen beiden Enkeln und Riccardo Goruppi sowie der ehemalige OST-Zwangsarbeiter Pjotr Kudrjaschow besuchten während ihres Aufenthalts in Leonberg verschiedene Klassen an hiesigen und Stuttgarter Schulen.
Fernsehen und Rundfunk gingen in drei Sendungen auf unsere Veranstaltung ein. Die lokale und überregionale Presse berichtete in zwölf zum Teil umfangreichen Bildbeiträgen.
Das Rahmenprogramm der Einweihung und die Einladung der ehemaligen Häftlinge und ihrer Angehörigen bedeuteten einen finanziellen Aufwand von ungefähr 26.500 EURO. Auch dieser Betrag wurde finanziert.
Die Errichtung der Namenswand wie das Einladungs- und Einweihungsprogramm erforderte viele gescheite Köpfe und fleißige Hände. Sie fanden sich in der Mitgliedschaft und nicht zuletzt im Vorstand und formierten sich in Arbeitsgruppen. So gab es eine Planungsgruppe Gedenkstätte/Namenswand, eine Baubegleitgruppe, eine Ausstellungsgruppe, eine Einladungsgruppe, die Gruppe „Abend der Begegnung“, eine Gruppe „Einweihung“ und eine Gruppe „Sicherheit bei der Einweihung“. Viele Übersetzerinnen und Übersetzer waren erforderlich, eine Organisatorin für die Einladungen und Unterbringung der Gäste, unser Kassier, einen Autor und eine Grafikerin für die Broschüre. Nicht zu vergessen sind die jungen Menschen, die bei der Einweihungsfeier mitgewirkt haben und diese zu einem Höhepunkt werden ließen: die Bläsergruppe der Jugendmusikschule, die Sängerinnen und Sänger des Jugendchors „Honey Bee“ wie die Theatergruppe unter Peter Höfer.
Der Kontakt zu den ehemaligen Häftlingen und ihren Angehörigen hat sich mit der Einladung zum 7./8 Mai spürbar verstärkt. Ein ehemaliger Häftling, Michel Fouchécourt aus Frankreich, ist am 22. Juni nach schwerer Krankheit verstorben. Wir haben seiner Frau unsere Anteilnahme ausgedrückt. Sie hat uns daraufhin zusammen mit ihrem Sohn wenige Wochen nach dem Tod ihres Mannes in Leonberg besucht, um seiner vor der Namenswand zu gedenken.
Von zwei ehemaligen Häftlingen wissen wir, dass es ihnen gesundheitlich sehr schlecht geht: Claude Brignon in Frankreich und Kare Kverneland in Norwegen, der älteste, noch lebende ehemalige KZ-Häftling. Letzterer wurde im vergangenen Jahr mehrmals operiert, befindet sich jetzt aber wieder zu Hause.
Von sich aus hat sich am 22. Dezember ein ehemaliger KZ-Häftling aus Belgien bei uns gemeldet, Zygmunt Scharf. Er schrieb, dass er als polnischer Jude von Auschwitz über Flossenbürg nach Leonberg gekommen ist. Zusammen mit seinem Vetter Zalman Fabrikant habe er am Todesmarsch von Leonberg nach Kaufering teilgenommen. Sein Vetter sei dabei gestorben. In den uns zugänglichen Dokumenten war sein Name bisher nicht verzeichnet.
2. Weitere Veranstaltungen
Nach dem Hauptereignis des Jahres 2005 waren wir ohne Zweifel etwas erschöpft. Dennoch gab es noch fünf weitere Veranstaltungen, nicht gezählt die Mitgliederversammlung mit den Vorstandswahlen im Januar. Am 30. Januar fand der überaus gut besuchte Vortrag von
Prof. Konrad Plieninger über seine Zeit als Flakhelfer im Schatten von Auschwitz statt, der wegen Überfüllung vom Stadtmuseum in die Stadtkirche verlegt werden musste. Am 1. Juni gönnten wir uns einen Rückblick auf die Einweihung der Gedenkstätte. Am 15. Oktober konnten wir mehr als vierzig Gäste aus Italien – überwiegend Angehörige von KZ-Häftlingen – in Leonberg begrüßen. Der Kontakt zu dieser Regionalgruppe aus Sesto San Giovanni bei Mailand war im September 2004 auf dem nationalen Kongress der ANED (Verband der italienischen KZ-Häftlinge) in Triest zu Stande gekommen. Herr Signorelli, mit 80 Jahren der Älteste, war im KZ Gusen gewesen. Die jüngste Teilnehmerin war sechs Jahre alt. Die Gäste legten auf dem Friedhof in der Seestraße einen Kranz nieder, um ihren hier im KZ verstorbenen Mitbürger Giovanni Cima wie auch die anderen Toten des KZs zu ehren. Im Anschluss daran führten wir sie auf dem „Weg der Erinnerung“ zur Namenswand.
Schließlich fand am 25. November eine Mitgliederversammlung statt als Ideenwerkstatt für zukünftige Projekte.
Nicht in unserer Verantwortung, aber doch erwähnenswert, war die Vorführung eines einstündigen Films von Vaclav Reischl „Großvater, was ist Leonberg?“ am 6. November im Bollwerk Stuttgart. Es handelt sich um eine Neufassung des Films „Überlebende des KZ Leonberg“ ergänzt durch Interviews mit Leonberger Bürgern.
3. Führungen
Zum normalen Geschäft unserer Initiative gehören die Führungen auf dem „Weg der Erinnerung“, die von einer Hand voll Personen übernommen werden. Es gibt darüber keine genaue Statistik. Es waren schätzungsweise knapp zwei Dutzend Führungen.
4. Vorstandsarbeit
Der Vorstand traf sich zu zwölf Sitzungen. Alle Vorstandsmitglieder arbeiteten intensiv in den beschriebenen Arbeitsgruppen mit. Es wurden drei Rundbriefe verschickt. Inzwischen wurde ein Vertrag mit der Stadt Leonberg über die Nutzung des Tunnel-Inneren geschlossen, aufgrund dessen wir wieder einen Schlüssel für das Tunneltor besitzen, sodass wir nach der Regelung einiger Formalitäten erneut mit Besuchergruppen den Tunnel betreten können. Zwei Vorstandsmitglieder nahmen am Kongress der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten in Karlsruhe am 31. Oktober und 1. November teil, bei dem es um den Erfahrungsaustausch mit anderen Gedenkstätten vor allem über die grundlegend sich im Wandel befindliche Erinnerungs- und Gedenkstätten-Arbeit ging. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass am 3. November in Natzweiler die erneuerte Gedenkstätte eingeweiht wurde. Im neuen Museum gibt es auch einen Hinweis auf Leonberg in Form eines Fotos und von Exponaten.
5. Öffentlichkeitsarbeit
Die Intensität unserer Arbeit spiegelte sich auch in einem verstärkten Presseecho. In der regionalen und überregionalen Presse erschienen 28 Beiträge über die Arbeit der KZ-Gedenkstätteninitiative.
Alle Presseartikel wie auch die Rundbriefe werden auf unserer homepage veröffentlicht.
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