Rechenschaftsbericht des Vorstands für das Jahr 2007 – vorgetragen bei der Mitgliederversammlung am Mittwoch, 5. März 2008

Das Jahr 2007 war besonders gekennzeichnet – neben der kontinuierlichen Fortsetzung unserer Arbeit – durch das Kennen lernen von zwei weiteren ehemaligen KZ-Häftlingen aus der Ukraine und die Verzögerung von zwei größeren Projekten, mit deren Vollendung wir eigentlich im Jahr 2007 schon gerechnet hatten.

1. Begegnungen mit ehemaligen Häftlingen
Am 14. und 21. September besuchten die ehemaligen KZ-Häftlinge Aleksej Tkatschuk und Michail Soljanik aus der Ukraine auf unsere Einladung hin Leonberg. Herr Tkatschuk war seit 1. Juli 1944, Herr Soljanik bereits seit April 1944 im Leonberger Lager. Beide waren nach über 60 Jahren zum ersten Mal wieder in Leonberg und konnten sich an viele Einzelheiten noch sehr genau erinnern.
Zu Weihnachten und Neujahr bekommen alle ehemaligen Häftlinge und ihre Familien vom Vorstand schriftliche Grüße, auf die bei uns Antworten eingehen.
Darüber hinaus gab es persönliche Kontakte zu einzelnen meist aus Anlass eines Geburtstags.
Ein ehemalige Häftling, Michel Didier, ist am 6. November gestorben. Beate und Pitt Adler hatten ihn im August zuhause im französischen Jura noch besucht.

2. Vortragsveranstaltungen
Unsere Initiative trat mit fünf Vortragsveranstaltungen an die Öffentlichkeit:
Der traditionelle Vortrag am letzten Sonntag im Januar war im Jahr 2007 ein Glanzpunkt. Wir hatten eingeladen zum 28. Januar zu einer szenischen Lesung von Briefen zwischen Sophie Scholl und ihrem Freund Fritz Hartnagel ins Stadtmuseum unter Anwesenheit von Sophies Schwester Elisabeth Hartnagel. Es war abzusehen, dass der Raum bei weitem nicht reichte.
Wir sind in die Stadtkirche umgezogen und diese größte Kirche Leonbergs war voll, fast bis auf den letzten Platz. Wir ließen zwei junge Menschen von der Bühne 16 zu Wort kommen (Lucia Cuccurullo und Matthias Gansel). Klaus Beer referierte eindrücklich über die Zusammenarbeit mit Fritz Hartnagel in der Friedensbewegung der Nachkriegszeit in Ulm.
Ein Höhepunkt: Persönliche Worte von Elisabeth Hartnagel auf Fragen von Zuhörern.
Am 13. März berichteten Volker Mall und Harald Roth aus Herrenberg über das KZ-Außenlager Hailfingen-Tailfingen.
Am 23. April ein Vortrag von Stefan Braun, SPD-Landtagsabgeordneter, über neue Entwicklungen im Rechtsextremismus, eine Veranstaltung gemeinsam mit der Evangelischen Erwachsenbildung.
Am 20. November, wieder gemeinsam mit der Evangelischen Erwachsenenbildung, der Vortrag von Helmut G. Haasis über Georg Elser und sein Anschlag auf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller.

3. Enthüllung einer Gedenktafel an der „Kaserne“
Am 10. Juli wurde auf Anregung des ehemaligen Gestapohäftlings Piet Schultz und der Initiative eine vom Landkreis Böblingen hergestellte Gedenktafel an der sog. „Kaserne“, Rutesheimer Straße 50/3, angebracht zur Erinnerung an die in diesem Gebäude 1944/45 untergebrachten holländischen Gestapo-Häftlinge wie osteuropäische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Die Enthüllung nahm Landrat Bernhard Maier vor. An der Feier wirkten Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 12 der Beruflichen Gymnasien mit. Der ehemalige Häftling Piet Schultz war von Landrat Maier eingeladen worden und sprach ein Grußwort.

4. Statistik zur kontinuierlichen Bildungsarbeit
Bei insgesamt 25 Führungen auf dem Weg der Erinnerung, bei Schulstunden und Einzelberatungen von Schülerinnen und Schülern wurden ungefähr 500 Personen erreicht. Bei den vier Vorträgen waren zusammen etwa 600 Personen anwesend.
Die von der Initiative geleistete Bildungsarbeit statistisch zu erfassen, stößt auf Grenzen. Es wurde bislang darüber nicht konsequent Buch geführt. Erfasst sind nur Angebote, die unmittelbar vom Vorstand veranlasst wurden. Nicht bekannt ist, wie viele Menschen den Weg der Erinnerung ohne uns gegangen sind, auch Schulklassen mit ihren Lehrern zum Beispiel.

5. Tätigkeit von Arbeitsgruppen
Die im Rechenschaftsbericht für 2006 erwähnten vier Arbeitsgruppen bestanden auch 2007.
a) Die Tunnelgruppe (Technik: Holger Korsten, Pitt Adler, Wolfgang Schiele, Manfred Pauschinger; Inhalte/Redaktion: Holger Korsten, Eberhard Röhm, Linde Beer, Eberhard Schmalzried) befasste sich mit der technischen und inhaltlichen Ausgestaltung der geplanten Ausstellung im alten Engelbergtunnel. Die Arbeiten wurden erschwert und verzögert durch den Umstand der ab September erfolgten Verfüllung des westlichen Engelbergtunnels. Es zeigte sich, dass der Plan sich nur mit professioneller Unterstützung realisieren lässt (Verpflichtung des Büros Braun-Engels-Gestaltung, Ulm). Da die Verfüllung des Tunnels erst Anfang 2008 abgeschlossen werden konnte, musste die ursprünglich für das Jahr 2007 vorgesehene Vollendung der Ausstellung im Rest-Tunnel auf das folgende Jahr verschoben werden. Mit Unterstützung von Oberbürgermeister Bernhard Schuler und dem Staatsministeriums (Europaminister Stächele) konnte jedoch erreicht werden, dass die Teilfinanzierung des Projekts durch die EU zeitweise ausgesetzt wird und so die uns zugesagten Mittel erhalten bleiben.
b) Die zwei Arbeitsgruppen „Ausstellungs- und Kommunikationsraum im Samariterstift“ (Ausbau: Holger Korsten, Pitt Adler, Irmtraud Klein, Wolfgang Schiele; „Innenausstattung“: Renate Stäbler, Holger Korsten, Monica Mather, Irmtraud Klein) begleitenden den Ausbau des Raums, legten zum Teil selbst Hand an, vor allem bei der Ausstattung des Raums und legten die inhaltliche Ausgestaltung fest. Der Ausbau und die Ausstattung konnten im Wesentlichen bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Die Einweihung wurde jedoch ins nächste Jahr verschoben.
c) Die Arbeitsgruppe „Umgestaltung des Stadtmuseums“ (Gudrun Sach, Eberhard Schmalzried, Wolfgang Schiele, Eberhard Röhm) legten zusammen mit der Leiterin des Stadtmuseums, Frau Koch-Konz, die Inhalte fest, sodass diese im Jahr 2008 realisiert werden können, nachdem im Haushalt der Stadt die dafür vorgesehenen Mittel eingestellt sind.
d) Die Arbeitsgruppe „Gegen Rechts“ (Vorstandsmitglieder Klaus Beer, Martin Riethmüller; Vereinsmitglieder Heinz Klingel, Marei Drassdo, Conny Renkl) bereitete die Veranstaltung mit Stefan Braun, MdL, am 23.4.2007 vor. Der Briefwechsel mit Abgeordneten wurde fortgesetzt. Eine Veranstaltung mit Befragung von Bernd Murschel, MdL, als Vertreter der Grünen wurde am 20.9.2007 durchgeführt.

6. Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen
Es sind im Jahr 2007 vier Rundbriefe verschickt worden und zusätzlich E-Mails aus aktuellem Anlass.
Die Presse hat dreizehn Mal über unsere Arbeit berichtet, einmal berichteten die Stuttgarter Nachrichten, zwölf Mal die LKZ.
Am 3.1.2007 berichtete die Landesschau (Sonja Schrecklein) über den Leonberger Autobahntunnel und brachte in einem Kurzinterview mit Eberhard Röhm auch einen Bericht über die Arbeit der Initiative.
Die Zeitschrift „art-info“ Heft Januar 2007 brachte einen Bildbericht über die Namenswand von Johannes Kares.
Mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg konnten zwei Druckschriften veröffentlicht werden:
a) Die kurze Autobiographie von Pjotr Kudrjaschow: Unterwegs zwischen Nikolajew und Leonberg. Der Ostzwangsarbeiter hatte das Manuskript zwei Jahre zuvor bei einem Besuch in Leonberg für uns niedergeschrieben. Es wurde von Maria Davydchyk und Christina Ossowski aus dem Russischen übersetzt und mit Kommentaren von Christina Ossowski und Eberhard Röhm versehen. Am 16. Juli fand in den Räumen der Stadtbibliothek eine Lesung aus der Autobiographie durch Peter Höfer statt, bei der Christina Ossowski und Eberhard Röhm historische Überleitungen boten. Bei dieser Veranstaltung war der Autor auf Einladung der Initiative anwesend.
b) Renate Stäbler und Monica Mather überarbeiteten und ergänzten einen früher schon vorgelegten umfangreichen Aufsatz „Schwierigkeiten des Erinnerns. Über den Umgang der Leonberger mit dem KZ nach 1945“, der jetzt als bebilderte Broschüre vorliegt.

7. Kontakt zu Jugendlichen
Der Vorstand war bemüht, Kontakt zu Jugendlichen herzustellen, die nach unserem Selbstverständnis die wichtigste Zielgruppe ist. Dies ist nur bedingt gelungen. Etwa die Hälfte der Personen, die wir mit unserer Arbeit erreicht haben, waren Jugendliche. Sie fehlten bei Vortragsveranstaltungen. Bei Führungen auf dem Weg der Erinnerung, vor allem von Schulklassen, stellten sie den Hauptanteil. Nicht gelungen ist es bisher, Jugendliche aktiv an
der Gedenkstättenarbeit zu beteiligen. Auf einzelne Vorgänge kann jedoch verwiesen werden. Für die Lesung der Briefe von Sophie Scholl und Fritz Hartnagel bei der Veranstaltung am 28. Januar wurden bewusst zwei Jugendliche der Bühne 16 ausgewählt (Lucia Cuccurullo und Matthias Gansel). Am 26. März und am 17. Juli fanden Führungen auf dem „Weg der Erinnerung“ von Schulklassen der August-Lämmle-Schule und des Gymnasiums Renningen statt, die durch Schüler übernommen wurden nach vorheriger Einarbeitung und Beratung durch uns. Bei der feierlichen Enthüllung der Tafel an der „Kaserne“ am 10. Juli haben Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Gymnasien aktiv mitgewirkt durch Verlesen von Zeitzeugenberichten, die sie zusammen mit Eberhard Röhm ausgewählt haben. Das Schulsprecherteam des Gymnasiums Rutesheim hatte mit uns für den letzten Schultag vor
den Osterferien einen Ostermarsch der gesamten Schule von Renningen zur KZ-Namenswand geplant, der nach Auskunft des Schulsprechers Christopher Glück letztlich dann an einem Rückzieher der Schulleitung gescheitert ist. Im Sommer haben an drei Samstagen Jugendliche des Projekts „Prisma“ im Seehaus zusammen mit ihrem Betreuer Andreas Ziegner sich an Vorbereitungsarbeiten im alten Engelbergtunnel beteiligt (Abschlagen von Wandplatten).

8. Spezielle Tätigkeiten des Vorstands
Die Vorstandsmitglieder haben sich in zehn Sitzungen zur Beratung und Beschlussfassung getroffen. Wieder waren umfangreiche Schriftwechsel, Verhandlungen mit der Stadtverwaltung und mit andern Institutionen und Firmen, vor allem im Zusammenhang der Planungen für den Ausbau des Engelbergtunnels erforderlich.
Klaus Beer und Holger Korsten recherchierten im Staatsarchiv München zu Willy Messerschmitt und dessen Spruchkammerverfahren.
Darüber hinaus haben einzelne Vorstandsmitglieder den Kontakt mit anderen Gedenkstätten auf der einmal im Jahr stattfindenden Tagung der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten in Baden-Württemberg wahrgenommen.