Rechenschaftsbericht des Vorstands des Vereins KZ-Gedenkstätte Leonberg e.V. für das Jahr 2024
Die Arbeit der Gedenkstätte blieb im Jahr 2024 weiterhin erfreulich stabil. Ja, statistisch gesehen können wir sogar einen Aufwärtstrend feststellen, den wir einer größeren Zahl an ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern verdanken. Der Vorstand und die drei Mitglieder des 2022 gebildeten Bauteams waren am stärksten beschäftigt mit der Planung des Ausbaus der uns von der Samariterstiftung angebotenen Räume im Haus Schleiermacherstraße 29.
- Schwerpunkt 1 der Gedenkstättenarbeit: 51 Führungen von Schulklassen
Mit 51 Führungen von Schulklassen (Vorjahr: 42) mit 996 (Vorjahr: 850) Schülerinnen und Schülern steigerten wir unser Engagement erneut über das Vorjahr hinaus. Die Führungen wurden von 10 Lotsinnen und Lotsen begleitet. Die Schülerinnen und Schüler kamen zu gleichen Teilen vor allem aus Gymnasien und Beruflichen Schulen, nur drei Klassen kamen aus Werkrealschulen und anderen Schularten.
Die Organisation der Führungen lag das ganze Jahr über wieder in den bewährten Händen von Eva Schütz-Schrallhamer. Ingeborg Böhme und Susanne Suby übernahmen in ebenso bewährter Weise die Lotsen-Fortbildung in Form von Treffen, Schulung von Neulotsen und Betreuung einer zweitägigen gymnasialen Projektgruppe am Schuljahresende.
- Schwerpunkt 2 der Gedenkstättenarbeit: 13 Führungen von Erwachsenengruppen, davon 6 Führungen auf dem „Weg der Erinnerung“ und zusätzlich 7 Führungen von Erwachsenen ausschließlich im Tunnel (Vorjahr: insgesamt 8)
- Schwerpunkt 3 der Gedenkstättenarbeit: Sonntagsöffnungen der Tunnel-Ausstellung
Von März bis Oktober war an 37 Tagen (Vorjahr: 33) je drei Stunden die Tunnel-Ausstellung geöffnet. An 31 Sonntagen, an denen Holger Rohland dabei war, zählte er allein 917 Besucher. (Vorjahr: 838 Besucher).
- Schwerpunkt 4 der Gedenkstättenarbeit: Insgesamt sieben Vortrags- und andere Veranstaltungen: Am 28.1. beteiligten wir uns an der Demonstrationsveranstaltung „Leonberg bleibt bunt“. Am 9.5. (Himmelfahrt) gab es die Sternwanderung zum alten Autobahntunnel ebenfalls vom Bündnis „Leonberg bleibt bunt“, bei der zum Abschluss als Vertreter der IRGW in Stuttgart, Michael Kashi, zum Thema Antisemitismus sprach. Am 14.5. fand in Zusammenarbeit mit der Ev. Erwachsenenbildung im Haus der Begegnung der Vortrag von Eberhard Abele über das Schicksal der Sintifamilie Guttenberger aus Schorndorf statt und am 16. Mai das Konzert des Sinti-Jazz-Trios Gismo Graf, das nicht vor dem Tunnel stattfinden konnte, sondern wegen des Wetters in die Blosenbergkirche verlegt werden musste. Am 13.11. sprach Frau Prof. Astrid Franke über „Amerika angesichts Trump 2.0.“ ebenfalls im Haus der Begegnung in Zusammenarbeit mit der Ev. Erwachsenenbildung (im Vorjahr: 4 Veranstaltungen).
Zu den Vortragsveranstaltungen kann man auch noch zählen einen Power-Point-Vortrag von Marei Drassdo und Eberhard Röhm am 1.2. im Clubraum Haus 29 für Bewohner des Samariterstifts zur Entstehungsgeschichte des Samariterstifts und des KZ Leonberg, sowie ein Vortrag von Holger Rohland am Tag des Denkmals im Tunnel zum Thema „Verantwortliche der Euthanasie-Morde“. Eine geplante Veranstaltung musste leider ausfallen. Am 23. Januar sollte die Holocaust-Überlebende Nadiya Slyesyeva im Haus der Begegnung zu einem Zeitzeugengespräch kommen. Sie war kurz zuvor leider verstorben.
- Zur Planung des Ausbaus der neuen Räume in Haus Schleiermacherstr.29 (S29)
Den Vorstand, insbesondere die beiden Vorsitzenden sowie das Bauteam (Armin Schmidt, Joachim Schütz, Steffen Schulik), beschäftigten das ganze Jahr über – mehr als allen lieb war – die Planungen und Vorarbeiten zum Ausbau der uns zugesagten Räume in Haus Schleiermacherstraße 29. Bereits im März 2022 hatten wir vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Samariterstiftung, Pfarrer Wössner, die Zusage bekommen, im Rohbau befindliche Räume im Erdgeschoss von Haus Schleiermacherstraße 29 mietfrei zu übernehmen, sofern wir den Ausbau selbst finanzieren. Bereits seit 17. August 2023 lag die Baugenehmigung vor und wir hatten einen Kostenvoranschlag der Firma „Rund ums Haus“ / Michael Bernert. Es dauerte jedoch eineinhalb Jahre, bis Ersatz-Lösungen gefunden wurden für die Unterbringung der bislang in S 29 lagernden Gartenmöbel des Samariterstifts und für Gegenstände für die Versorgung der Schafe. Dieses Problem ist inzwischen gelöst. Die Gartenmöbel werden in zwei, auf zwei Parkplätzen der Ev. Kirchengemeinde in der oberen Schleiermacherstrasse aufgestellten, von der Stadt Leonberg kostenlos zur Verfügung gestellten Containern zwischengelagert. Endgültig werden diese im Jahr 2026 im Keller des bis dahin fertigen Neubaus Haus Seestr. 74 untergebracht. Die Utensilien für die Versorgung der Schafe werden in einem weiteren, auf einem Parkplatz des Samariterstifts in der Seestraße errichteten Metallschuppen gelagert. Die Kosten für diesen Container hatten wir zu übernehmen. Alle drei Container stehen inzwischen, sodass zu Beginn des Jahres 2025 mit den Ausbauarbeiten in Haus Schleiermacherstraße 29 begonnen werden konnte. Noch im letzten Jahr konnte der Mietvertrag mit der Samariterstiftung unterzeichnet werden. Er läuft vorläufig auf zwanzig Jahre. Zum Inhalt des Vertrags gehört auch, dass wir auf den bislang uns mietfrei zur Verfügung gestellten Raum im 4. Stock von Haus Seestraße 74 verzichten müssen. Dort befinden sich bisher unsere umfangreiche Bibliothek, drei Vitrinen mit originalen Gegenständen aus dem früheren KZ und der Restbestand unserer umfangreichen Buchpublikationen.
Dem Bauteam und den Vorstandsmitgliedern, die sich in dieser Sache in nicht wenigen Stunden ihrer Freizeit um eine vernünftige Lösung bemüht haben, gebührt der Dank des Vereins. Es sind dies vor allem Joachim Schütz sowie Armin Schmidt und Steffen Schulik.
Die Finanzierung des Ausbaus der neuen Räume in Höhe des Kostenvoranschlags ist finanziell gesichert dank einer konsequenten, sparsamen Haushaltsführung in den letzten beiden Jahren und vor allem durch großzügige, zweckgebundene Spenden vom Landkreis Böblingen, der Stadt Leonberg, der Paul Lechler-Stiftung, der Berthold-Leibinger-Stiftung, der Firma Mörk GmbH & Co. KG in Leonberg sowie der Kulturstiftung der Kreissparkasse Böblingen.
- Kontakte mit Angehörigen ehemaliger Häftlinge und deren Angehörigen
Neben den Grußkarten zum Jahresende, die an ca. 80 Familien ehemaliger Häftlinge gehen, gab es auch in diesem Jahr wieder Besuche und Anfragen solcher Familien. Am 11. Mai besuchte uns Marga Pepping, die Tochter des holländischen OT-Zwangsarbeiters Berend Pepping. Am Tag des Denkmals im September war ohne vorherige Anmeldung einer der Söhne des OT-Zwangsarbeiters in der Kaserne Ab Boerma mit Ehefrau als Besucher am Tunnel. Da ich ebenfalls da war, konnte ich ihn begrüßen. Er war zum ersten Mal in Leonberg. Am 7. Oktober kamen die Kinder von William Grunstein, die Tochter Sarah Grunstein aus New York und der Sohn Dr. Harry Grunstein aus Sidney/Australien. Vorausgegangen war die Übersetzung eines Video-Interviews des Shoah Foundation Institute mit dem inzwischen verstorbenen Vater Binem (William) Grünstein durch Siegfried Suby und einer darauf fußenden Kurzbiografie von Eberhard Röhm, der mit dem Sohn in Australien Kontakt aufgenommen hatte.
Ein weiterer Besuch galt der Erinnerung an den in Leonberg verstorbenen polnischen KZ-Häftling Henryk Józef Laszcz. Er war Justizbeamter. Jetzt kam eine Abordnung der Polnischen Historischen Gesellschaft und der Gewerkschaft der Justizbeamten und legte in Gegenwart der beiden Vereinsvorsitzenden am 11. November einen Kranz am Sammelgrab in der Seestraße nieder. Am 16. November kam schließlich der Sohn von Riccardo Goruppi, Roberto Goruppi, mit seiner Frau und einer ganzen Gruppe von Verwandten und Freunden. Sie wurden von unserem italienisch sprechenden Vorstandsmitglied Irmtraud Klein begleitet und betreut.
- Spezielle Tätigkeiten des Vorstands wie die Öffentlichkeitsarbeit sowie die Mitgliedschaft im „Verbund der Gedenkstätten im ehemaligen KZ-Komplex Natzweiler“ (VGKN)
Die beiden Vorsitzenden hielten routinemäßig den Kontakt mit dem Gedenkstättenreferat der Landeszentrale für politische Bildung und dem Verbund der Natzweiler Gedenkstätten (VGKN). Am 29. Februar konnten wir den Vizepräsidenten des Landtags Daniel Born (SPD) vor der Gedenkstätte begrüßen. Er gehört den Gremien an, die im Landtag die Gelder für die Gedenkstätten beschließen. Ein besonderes Ereignis war, dass uns am 16. Juli das sechsköpfige Kollegium des Gedenkstättenreferats der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) unsere Gedenkstätte besuchte. Marei Drassdo vertrat uns bei der Jahrestagung der Gedenkstätten in Bad Urach am 13./14. April.
Der Vorstand tagte vier Mal im Jahr 2024, am 14.03., 11.06., 9.7. und 10.9.2024. Hinzu kam noch eine Sondersitzung zur Formulierung des Mietvertrags mit der Samariterstiftung.
- Besuch des Pädagogisch Kulturellen Centrums (PKC) Freudental am 12. März
Einige Vorstandsmitglieder und Lotsen besuchten am 12. März ganztägig das Pädagogisch Kulturelle Centrum in der Ehemaligen Synagoge Freudental. Wir erlebten u. a. eine Führung des dortigen Leiters und Theaterpädagogen Michael Volz durch das ehemalige jüdische Dorf bis zum jüdischen Friedhof. Michael Volz kennt unsere Arbeit aus seiner Zeit als Lehrer am Gerlinger Robert-Bosch-Gymnasium. Er verfasste mit seiner damaligen Schüler-Theatergruppe das Stück „Hinterm Berg“, das sich mit dem KZ Leonberg befasst.
- Übersetzung von Videokassetten mit Interviews des Shoa Foundation Institutes
Im Jahr 2024 wurden weitere zehn Video-Interviews mit ehemaligen Leonberger KZ-Häftlingen aus dem Englischen von Siegfried Suby und Angie Weber-Streibl übersetzt. Aufgrund dieser Interviews sollen Kurzbiografien hergestellt werden, die nach Abschluss der Übersetzungen veröffentlicht werden.
- Finanzielle Förderung von Projekten durch die Landeszentrale für politische Bildung
Wie aus dem Kassenbericht, den unser Kassier Martin Riethmüller vorträgt, zu ersehen ist, hat das Land uns als größere Gedenkstätte wieder finanziell unterstützt. Diese bestand a) aus der Basisförderung, durch die auch die vollen Honorarkosten für unseren Archivar Volger Kucher gedeckt sind, b) die Förderung von 50 Pädagogischen Maßnahmen / Führungen von Klassen in Höhe von 5.000 EUR, c) drei Projektförderungen: nämlich der Druck einer überarbeiteten Auflage des Ausstellungkatalogs, die Anschaffung eines PC und Druckers und die Kosten für eine Reparatur der Tunnel-Rückwand. Insgesamt förderte das Land uns mit 20.900,00 EUR.
- Statistik für das Jahr 2024
Wir zählten im Jahr 2024 insgesamt etwa 2400 Besucher (Vorjahr: 2000), davon waren knapp 1000 (Vorjahr:850) Jugendliche bei 51 (Vorjahr: 42) Führungen auf dem „Weg der Erinnerung“ und 1400 (Vorjahr: 1100) Erwachsene bei 13 (Vorjahr: 8) Führungen und 7 (Vorjahr: 4) sonstigen Veranstaltungen.
- Wahl des Vorstands und Mitgliederzahl bei der Mitgliederversammlung am 20. März 2024 im Blumhardtsaal der Blosenbergkirche
Bei der Mitgliederversammlung wurden vom bisherigen Vorstand wiedergewählt Marei Drassdo zur Vorsitzenden, Eberhard Röhm zum stellvertretenden Vorsitzenden. Als weitere Vorstandsmitglieder wurden wiedergewählt: Irmtraud Klein, Martin Riethmüller (vom Vorstand anschließend zum Kassier gewählt), Holger Rohland, Joachim Schütz und Steffen Schulik. Neu gewählt wurde Eberhard Blanz.
Als Kassenprüfer wurden gewählt: Heinz Klingel und Manfred Pauschinger.
Zum Zeitpunkt der Mitgliederversammlung (22.03.2023) betrug die Zahl der Mitglieder: 90, zuzüglich drei korporative Mitgliedschaften (Ev. Kirchengemeinden und Katholische Kirchengemeinde in Leonberg sowie der Landkreis).
- Abschied von zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern
Im Jahr 2024 mussten wir von zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern Abschied nehmen. Am 19. Mai starb im Alter von 86 Jahren Beate Adler, die in den Anfangsjahren Vorstandsmitglied des Vereins war und zusammen mit ihrem Ehemann Pit viele Jahre lang den Kontakt zu ehemaligen französischen KZ-Häftlingen hielt. Am 28. Dezember starb ebenfalls im Alter von 86 Jahren Renate Stäbler. Sie gehörte bereits 1999/2001 zur achtköpfigen Geschichtswerkstatt zur Erforschung der Geschichte des KZ Leonberg bei der Volkshochschule und war nach Gründung der KZ-Gedenkstätteninitiative viele Jahre Stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Neben dieser Tätigkeit verdanken wir ihr viele Beiträge zur Erforschung der Geschichte des KZ Leonberg wie den Kontakt zur Presse, insbesondere zur Leonberger Kreiszeitung.
Leonberg, 25. März 2025
Gez. Gez.
Marei Drassdo, Vorsitzende Eberhard Röhm, Stellvertretender Vorsitzender